Jom stellt sich vor (Familie betroffen)

Es wird eigentlich erwartet, dass sich Mitglieder vorstellen und ihre Lebensumstände schildern, damit die anderen in Etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben und ihm dann auch besser helfen können.
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jom
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Jom stellt sich vor (Familie betroffen)

Beitragvon jom » 29. November 2018, 17:11

Hi Leute [bye2]

Ich bin 27 Jahre alt und selbst zum Glück nicht erkrankt, mir geht es hier um meine alkoholkranke Mutter, der Ich seit Längerem zu helfen versuche.
Meine Mum ist seit nun etwa 10 Jahren alkoholabhängig (Wein+Bier).

Den Ursprung hat es nach ihrer Aussage wohl schon in ihrer Jugend, als ihre eigene Mutter starb, sie gerade erst 16 war und mein Opa ihr emotional nicht beigestanden hat/es nicht konnte.
Damals hat sie gemerkt, dass, wenn es ihr schlecht geht, Alkohol sehr gut hilft, die negativen Gefühle zu verdrängen.
Abhängig geworden ist sie zu dieser Zeit nicht, sie konnte den Tod meiner Oma überwinden und musste wohl auch für ihr eigenes Leben stark sein (Ausbildung, Auszug nach Streits mit meinem Opa).
Ihr Leben verlief gut und mit Anfang 30 hat sie dann mich und meinen Bruder bekommen und sich um uns als Hausfrau und Mutter gekümmert.

Seitdem ihre mütterlichen Aufgaben mit dem Ende unserer Schullaufbahnen dann immer weniger wurden, wir seltener zu Hause waren und auch das Verhältnis zu meinem Dad nicht mehr so toll war, fing sie wieder an gegen die schlechten Gefühle zu trinken.
Wir haben davon anfangs nie etwas mitbekommen außer, dass sie bei Familienfeiern öfter betrunkener als andere war (logisch, da sie den ganzen Tag über ja schon getrunken hatte).
Im normalen Alltag schien sie aber relativ gefasst, sodass wir uns nie Sorgen machten.

Dann sind wir Kinder nach dem Studium ausgezogen und sie ist, bis auf das Mittagessen mit meinem Dad, den ganzen Tag alleine zu Hause.
Durch den Wegfall ihrer Rolle als Mutter weiß sie nichts mehr mit sich anzufangen und darunter hat auch ihr Selbstwertgefühl extrem gelitten (in Verbindung mit dem Alkohol).
Meine Mum war auch davor nie eine besonders selbstsichere Person (wenig Freunde, keine eigene Job-Karriere, "nur" ihre Leistung als tolle Mutter).

In den letzten Jahren geht es ihr nun immer schlechter, man merkt, dass sie immer leicht angetrunken und sehr emotional ist.
Sie kann es also auch nicht mehr verheimlichen wie früher, ihre Hände zittert, sie redet oft wirr und ihre Organ-Werte sind auch schlecht.
Die Vorkommnisse bei Feierlichkeiten wurden auch mehr.

Wir haben sie dann auf ihre Sucht angesprochen und konnten sie zu einer Psycho-Therapie überreden.
In eine Entzugsklinik will sie bis heute nicht, sie hat irgendwie extreme Angst vor diesen Einrichtungen und davor was Leute aus unserem Umfeld über sie denken könnten.
Naja, die Therapie war zumindest soweit erfolgreich, dass sie einige ihrer vielen Ängste bekämpfen konnte (alleine Einkaufen, große Menschenmengen, lange Strecken alleine Auto fahren).
An der Alkoholsucht hat sich aber nichts geändert (die ist wohl auch schon viel zu körperlich, meine Mum hat schon morgens nach dem Aufstehen Entzugserscheinungen)

Momentan ist sie in einer Beratung und Selbsthilfegruppe der Caritas, aber das ganze dauert natürlich extrem lange und diese Treffen sind nur wöchentlich.
Wir machen und wirklich große Sorgen um meine Mum und wissen nicht, wie lange ihr Körper diesen Zustand noch mitmacht.
Sie raucht zudem viel, isst zu wenig, weil sie sich selbst immer zu dick fühlt (mit über 60 Jahren...) und bemitleidet sich quasi den Tag über selber.
Manchmal, wenn ich im Haus meiner Eltern bin, bekomme ich mit, wie sie kurze Selbstgespräche führt und vermute, dass sie dies auch sonst tut, da sie so viel alleine ist.
Leider könnte sie in ihrem aktuellen Zustand keine berufliche Tätigkeit mit Kontakt zu anderen Menschen ausüben und dazu fühlt sich auch nicht mehr im Stande.

Es ist also so:


Momentan ist es ca 1L Wein über den Tag verteilt und Ich sehe nicht, wie das in nächster Zeit weniger werden sollte ohne echten Entzug.
1-2x pro Monat hat sie bei körperlicher Anstrengung schon Ohnmachtsanfälle und verletzt sich.
Die Selbsthilfegruppen in Ehren, aber dazu ist die körperliche Abhängigkeit nach 10 Jahren doch schon viel zu stark und ihre Selbstkontrolle und Selbstwertgefühl zu schwach.


Da bisher eine Klinik nicht in Frage kommt, habe ich mich also erkundigt, was es für ambulante medikamentöse Behandlungen ihrer Abhängigkeit gibt.
Die Studien zu den meisten Mitteln sind ja eher ernüchternd und einige sind sogar extrem gefährlich, wenn der Patient bei der Einnahme weiterhin Alkohol trinkt.
Eher am Rande wurde oft das Medikament Baclofen positiv erwähnt, in Deutschland ja aber auf den meisten Seiten mit dem Hinweis, dass es noch zu wenig Studien darüber gibt...
Also habe ich mir alle verfügbaren Studien seit der wohl ersten Wirkungsentdeckung 2002 von Dr. Addolorato angeschaut.
Zudem habe ich mir das wirklich grandiose Buch von Dr. Ameisen bestellt und in 1 Tag durchgelesen und die verwendeten Dosierungsschritte und Entwicklung genau notiert.

Alle Studien und Erfahrungsberichte sind ja wirklich sehr positiv und das Medikament scheint mir in Verbindung mit Alkohol absichtlich klein gehalten zu werden.
Klar, kann niemand mehr groß Geld verdienen, ähnlich dem Metadon Skandal bei Krebspatienten (den kann man bei SternTV recherchieren).
Diese pharmaziepolitische Untätigkeit hat wohl auch Dr. Ameisen dazu bewegt sich 2008 mit seinem Buch an die Öffentlichkeit zu wenden, nachdem er nach seiner eigenen Heilung jahrelang erfolglos versucht hatte wissenschaftliches Interesse und Gelder für größere Studien zu bekommen.
Zum Glück hatte er damit in Frankreich mit Hilfe der Medien und Betroffenen nach immerhin 10 Jahren nun endlich Erfolg.

Bei den strengen Regelungen in Deutschland steht ja in den Sternen, wie lange eine Zulassung von Baclofen in höherer Dosierung zur Behandlung von Alkoholsucht erfolgen kann.
Wenn überhaupt, eher wird dann wohl ein leicht abgewandelter, teurer Wirkstoff mit neuem Patent zugelassen [dash]

So lange wird es meine Mutter leider nicht mehr schaffen, dafür ist sie zu alt und es geht ihr zu schlecht.

Ich hoffe also, dass Ich durch dieses tolle Forum hier einen auf diesem Baclofen-"off-label" Gebiet kompetenten Arzt finde, der uns helfen kann um den langen Prozess der Beratungsgespräche zu beschleunigen und wenigstens schon einmal die körperliche Abhängigkeit meiner Mum in den Griff zu bekommen.

Danke für das Lesen meiner doch etwas langen Vorgeschichte doppd
Viele Grüße,
Jom

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Re: Jom stellt sich vor (Familie betroffen)

Beitragvon Lucidare » 29. November 2018, 17:49

Wer aus meinen Texten nicht herauslesen kann, dass ich aus persönlicher Erfahrung schreibe, wird mich sowieso missverstehen.

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Re: Jom stellt sich vor (Familie betroffen)

Beitragvon jom » 29. November 2018, 18:05

Hi Lucidare,

vielen Dank für die schnelle und so ausführliche Antwort, bei euch fühlt man sich wirklich willkomen [good]
PN an DonQuixote ist schon raus, dann widme ich mich mal deinen verlinkten Informationen :kst

Zum Glück kann ich mit meiner Mum mittlerweile offen über das Thema reden und habe Ihr so direkt auch von meiner langen Recherche und Dr. Ameisen erzählt und ihr sein Buch zu Lesen gegeben.
Sie ist sehr interessiert und bewundert dessen Persöhnlichkeit und letztendlich positiven Werdegang.
Bei der Baclofen Behandlung und Dosierung werde Ich sie also unterstützen und schauen, dass wir langsam ihre tägliche Alkoholmenge reduzieren können. Ein erstes Ziel wären schonmal 0,5L Wein.

Ich werde berichten, Danke euch schonmal [smile]
Jom

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Re: Jom stellt sich vor (Familie betroffen)

Beitragvon Lucidare » 29. November 2018, 18:33

Wer aus meinen Texten nicht herauslesen kann, dass ich aus persönlicher Erfahrung schreibe, wird mich sowieso missverstehen.

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Re: Jom stellt sich vor (Familie betroffen)

Beitragvon arijaana » 29. November 2018, 19:38

Hallo Jom,
erst mal auch von mir ein Dankeschön für Deinen Bericht. Er hat mich sehr berührt. Auch ich bin Mutter und weiss wie hilflos sich die Kinder in so einer Situation fühlen. Es wahnsinnig schwer Deinem Kind gegenüber einzugestehen dass Du schwach bist, nicht mehr weiter weisst. Auf einmal sind die Rollen vertauscht. Wenn dann noch die Scham dazu kommt wenn die Therapie mal wieder in die Hosen gegangen dann..
Deshalb ein dickes fettes Lob an Deine Mom.
Schön dass ihr offen reden könnt!
Gleich zum Anfang etwas aus meiner Erfahrung zu Baclofen. Ich habe mich ein paar Tage vor der Einnahme von Bac mühsamst von 2 auf 1 Flasche Wein runter getrunken. Mit der ersten
Einnahme habe ich nie mehr mehr als diese Flasche getrunken und das ohne Probleme. Ihr werdet noch mehr Leute in diesem Forum finden die diese unproblematische Reduzierung auf die Hälfte erfahren haben. Das wären bei Deiner Mom ja schon mal 0.5 l
Ich wünsche Dir und Deiner Mom viel Glück. Es lohnt sich! Wenn sie sich mal ein bisschen eingelesen hat in das Thema und sich und Bac eine Chance geben will dann kannst ihr ja mal auch einen persönlichen Kontakt zu jemand Betroffenem vorschlagen. Ich(55) bin in einer vergleichbaren Situation. Auch Kinder aus dem Haus, kein Job, kein Selbstwertgefühl, nicht immer einfache Beziehung usw.
Good Luck A


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