Soeben online (gedruckt noch nicht) erschienen ist folgende Studie:
- Eine Kohortenstudie mit Baclofen zur Untersuchung der Alkoholabstinenz bei Patienten mit Lebererkrankung
A prospective cohort study examining the effectiveness of baclofen in the maintenance of abstinence
in alcohol use disorder patients attending a joint liver and alcohol treatment clinic, Alcohol (2017)
Hier die wichtigsten Aspekte der Studie:
- Es handelt sich NICHT um eine randomisierte und gegen Placebo kontrollierte Studie.
- Die Baclofen-Dosis betrug am Anfang 3 x 10 mg / Tag und wurde je nach Bedarf und Verträglichkeit auf maximal 3 x 30 mg / Tag, d.h. maximal 90 mg / Tag gesteigert.
- Abstinenz war bei Studienbeginn nicht Voraussetzung. Vielmehr wurde die Auswirkung auf den Alkoholkonsum im Laufe der Behandlung einfach nur beobachtet.
- Zu Beginn der Studie gab es 219 teilnehmende Patienten. Zwangsläufig nimmt diese Zahl im Laufe einer Studie dann ab. Den zeitlichen und quantitativen Verlauf kann man folgender Tabelle entnehmen:
- Ein Hauptmerkmal der Studie war, dass es sich bei den Patienten um Personen mit sehr hohem Alkoholkonsum (18 bis 40 UK-Units pro Tage, Median 25) und mit Lebererkrankung oder mit zumindest besorgniserregenden Leberwerten handelte. Die entsprechenden Daten (Alkoholkonsum und Leberwerte) stehen in dieser Tabelle:
- Zur Rekrutierung der Patienten: Da lässt mich mein wenig praktiziertes Schul-Englisch leider im Stich, und auch nach Konsultierung von Nachschlagewerken wurde ich nicht wirklich schlauer. Der englische Originaltext lautet: Englischer Fachartikel hat geschrieben:Patients were recruited from a nurse-led joint hepatology and alcohol treatment clinic in an acute hospital.
Meine „Übersetzungskünste“ ergeben da leider nur: „Die Rekrutierung der Patienten erfolgte durch eine [irgendwie]-geführte [Irgendwas]-Abteilung eines [Sonstwas]-Spitals. Vielleicht kann uns da ja jemand bei der korrekten Übersetzung aushelfen .
Die Patienten hatten sich jedenfalls selbständig mit dem Wunsch nach einer Behandlung dorthin begeben. Ihre bisherigen medikamentösen (Campral und Naltrexon) Behandlungsversuche verliefen erfolglos, oder die oben genannten Medikamente waren in ihrem Falle kontraindiziert (Lebertoxizität). Die Patienten wurden auch, wie in solchen Fällen üblich, zwecks psychosozialer Betreuung an kommunale Einrichtungen vermittelt (Anmerkung: Dies ist nicht zu verwechseln mit einer fachärztlichen psychotherapeutischen Behandlung). - Der Anteil der Patienten, welche eine vollständige Abstinenz erreichten, betrug 55 % nach drei, respektive 53 % nach zwölf Monaten. Der Alkoholkonsum sank markant, nach drei Monaten betrug er nur noch 0 bis 15 (Median: 6) Uk-Units, nach zwölf Monaten dann noch 0 bis 13 (Median: 2) UK-Units. Auch die Leberwerte erholten sich in bemerkenswertem Ausmaß. Details dazu in den nächsten beiden Tabellen:
- 37,5 % der Patienten litten bei Studienbeginn bereits an einer diagnostizierten Leberzirrhose, bei weiteren 22,8 % war ein sonstiger Alkoholtoxischer Leberschaden vorhanden. Bei der Wirkung von Baclofen auf den Alkoholkonsum fanden die Forscher überraschenderweise keinen signifikanten Unterschied zwischen den zirrhotischen und den anderen Patienten, was Prof. Lorenzo Leggio auf Grund seiner eigenen, früheren Studien eigentlich noch vermutete (dort ab Minute 6:22).
- Die Auswirkung von Baclofen auf das Craving wurde nicht ermittelt, obwohl dafür einige gute Werkzeuge zur Verfügung gestanden hätten. In zukünftigen Studien würden sie das sicher mit berücksichtigen, merkten die Forscher selbstkritisch an.
- Die maximale Dosierung greift mit 90 mg / Tag meines Erachtens zu kurz, ist aber im Vergleich zu bisherigen Kontrollierten Studien mit maximal 30 mg / Tag schon mal eine deutliche Verbesserung. Einzige Ausnahmen: Eine Studie mit maximal 60 mg / Tag, die finde ich jetzt aber grad nicht, und dann natürlich noch die Studie BACLAD mit einer maximalen Dosis von 270 mg / Tag. Ein kleiner, aber hoffentlich vernehm- und spürbarer Seitenhieb: Die Studie BACLOVILLE ist leider immer noch nicht wirklich zitierfähig, da sie immer noch nicht veröffentlicht wurde!?! Es gibt in der aktuellen hier besprochenen Veröffentlichung leider keinen genauen Hinweis darüber, wie viele Patienten die angestrebte Dosis von 90 mg / Tag in Folge von Unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW, „Nebenwirkungen“) nicht erreichten. Eine Korrelation von Baclofen-Dosis und Behandlungserfolg findet man in dem Fachartikel ebenfalls nicht.
- Die Autoren Lynn Owens, Andrew Thompson, Abi Rose, Ian Gilmore, Munir Pirmohamed und Paul
Richardson von der University of Liverpool, United Kingdom, hatten bisher noch keine Studien zum Thema Baclofen als Therapieoption der Alkoholabhängigkeit veröffentlicht, wie jedenfalls meine Recherche in unserem Baclofen-Wiki ergab.
DonQuixote