Hi zusammen,
leider trinke ich immer noch. Obwohl ich schon 85 mg Baclofen am Tag nehme. Aber es wird so langsam nach und nach zumindest etwas weniger. Zufrieden bin ich damit nicht.
Aber vielleicht setze ich mich auch einfach noch nicht genug dafür ein.
Ich gebe ja zu, dass es mir sehr schwer fällt, mein Leben nüchtern zu ertragen. Aus vielen Gründen.
Gerade der Job, der für meine Tagesstruktur und ein Minimum an Selbstrespekt so unabdingbar nötig ist,
ist manchmal für mich kaum auszuhalten. Nicht die Arbeit an sich. Die ist ok.
Für mich ist klar:
Ich muss den Tag über so leben, dass ich Abends nicht saufen muss!
Das heißt, dass ich nicht mehr Kraft verbrauchen darf, als ich habe
und nicht mehr Frust mitnehmen darf, als ich nach Feierabend kompensieren kann.
Und genau das kriege ich nicht hin.
Für meine Kollegen und meinen Chef ist es selbstverständlich, dass ich immer da bin, immer funktioniere und deren Defizite ausgleiche. Und ich will ja auch meinen Job gut machen.
In der Fahrschule lernt man, dass man seine Geschwindigkeit dem Verkehrsfluss anpassen soll.
Wenn ich das auf die Firma übertrage hieße das, sehr vieles einfach gleichgültig an mir vorüberziehen zu lassen. Es hieße, mir weder Gedanken über meine Verantwortung und Aufgaben noch über die Folgen meines Handelns zu machen.
Es hieße, die Verantwortung und das Denken anderen zu überlassen und den Karren an die Wand fahren zu lassen, falls es darauf ankommt. Es hieße, an der allgemeinen Gleichgültigkeit teilzunehmen.
Muss ich das tun, um trocken werden zu können? Ist das der Preis? Und wenn ja: Ich weiß nicht, ob ich diesen Preis bereit bin zu zahlen.
Das bin nicht ich!
Aber andererseits: Wie lange halte ich das so noch durch?
Was wäre wohl mit mir, wenn es keinen Alkohol auf der Welt gäbe?
Wie würde ich dann diesen Dingen begegnen? Immer so? :
1.) Seit zwei Wochen verhalte ich mich dem einen Kollegen gegenüber, der sich jetzt schon seit 10 Jahren mir gegenüber arschig verhält, nun auch arschig. Und zwar richtig!
Ich hasse mich, wenn ich so bin. Einerseits ist es entlastend, andererseits frage ich mich natürlich dauernd, ob ich da jetzt nicht unfair bin. Ich bin unfair.
Er ist das auch seit 10 Jahren und ohne dabei Gedanken an mich oder meine Gefühle zu verschwenden.
2.) Gestern habe ich einen anderen Kollegen, mit dem ich sonst gut stehe, echt angemotzt, weil er ein Versprechen, was er mir gegeben hat, seit Wochen nicht eingehalten hat. Ich habe es ihm gesagt, wie es ist.
Das Ding war doch tatsächlich innerhalb von 20 Minuten erledigt.
Er selbst hat sich umgehend und "höchstpersönlich" darum gekümmert.
Warum musste ich dafür denn nur erst Wut zeigen? Ich kapiere das nicht.
Das muss doch bei mir auch keiner. Wenn mir jemand sagt, es nervt ihn was oder er kommt mit was nicht klar, dann versuche ich doch auch es zu ändern und Abhilfe zu schaffen, wenn es im Rahmen meiner Möglichkeiten liegt...
3.) Am Montag bat ich um Termin für ein sehr spezielles Anliegen. Ich hatte keine Details genannt, nur die Stelle, an die ich mich wenden wollte.
Die Terminvergabe sagte mir, dass sie für mein Anliegen nicht zuständig seien.
Ich blieb diesmal beharrlich und sagte, dass ich mein Anliegen trotzdem gerne der Fachkompetenz vortragen würde, da ich mir gar nicht so sicher sei, ob das nicht doch in ihren Zuständigkeitsbereich fiele. Ich bekam den Termin bei der Fachkompetenz! Früher hätte ich ganz sicher beim ersten "Nein" schon aufgegeben.
Was heißt das jetzt?
Muss ich unkontrolliert, unreflektiert und rücksichtslos gegenüber den Gefühlen von anderen sein, um gehört zu werden? Muss ich im "Kampfmodus" sein, um zu überleben?
Muss ich schreien, damit es wer hört und dann mit allen damit verbundenen Schuldgefühlen klar kommen? Privat sieht es leider auch nicht anders aus.
Und trotzdem "Ja" zum Leben sagen???