Liebe Forumskolleginnen- und kollegen,
ich möchte mich hier heute bei euch etwas genauer vorstellen.
2013-14 bin ich zum Entschluss gekommen meinen jahrzehntelangen, gesundheitsgefährdenden Alkoholmissbrauch (über ca. 25 Jahre täglich +- 3 l Bier, selten mehr) ein Ende zu setzen. Leicht gesagt nach unendlich vielen Versuchen, die immer nach wenigen Tagen mit Selbstbetrug zu Ende gingen. Angstzustände waren mein täglicher Begleiter. Die Zeiträume die ich schildere sind immer ungefähre Angaben, ich habe kein Tagebuch geführt.
Im Netz und in beiden Baclofen- Foren fand ich eine Möglichkeit es endlich in die Tat umsetzen zu können. Baclofen sollte meine Chance werden. Ich nahm Kontakt mit Friedrich Kreuzeder auf und er gab mir Vorgehensweisen und Pläne an die Hand, die mir helfen sollten. Meine “Betreuung“ durch ihn waren mir eine große Hilfe.
Ich fing trocken an und steigerte aber leider zu stark und zu schnell hoch. Meine Höchstdosierung waren für eine kurze Zeit 100 mg. Bereits nach 2 Wochen war ich auf 50 mg und nach 3- 4 Wochen auf 100mg Baclofen/ Tag.
Auf Empfehlung morgens und mittags niedrig, nachmittags und abends dementsprechend höher. In beiden Foren wurde ganz deutlich, daß die Dosierung sehr individuell ist und die Nebenwirkungen ebenfalls. Es wurde immer wieder davon gesprochen, daß man die richtige Dosis erreicht hat, wenn es “klick“ gemacht hat und einem der Alkohol egal ist, heißt, daß man nicht mehr den ganzen Tag an dessen Beschaffung denkt und keinen “Saufdruck“ mehr verspürt. Bei mir war es irgendwann der Fall, als ich im Getränkemarkt Wasser einkaufte und gar nicht bemerkte, daß ich keine! Runde durch die Bierregale machte. Dazu muß ich sagen, daß ich nur Bier getrunken habe, Wein und Schnaps waren nie mein Ding.
100 mg Baclofen waren für mich ( 198 cm groß und über 100 kg schwer) viel zu viel, die unerwünschten Nebenwirkungen kaum erträglich. Diese waren u.a. Mundtrockenheit, starker und ständiger Harndrang, heftige Akkomodationsstörungen, Müdigkeit über Tag, Klarträume, Muskel- und Gelenkschmerzen.
Aber die schlimmste Nebenwirkung war die Veränderung meiner Persönlichkeit, die ich selbst bemerkte. Ich wurde hyperkritisch, sagte Jeder und Jedem vor den Kopf was ich denke und nicht nur über die Person. Ich räumte gnadenlos Freundschaften auf und räumte sie auch manchmal ab. Meine langjährige Ehe stand vor einer massiven Bewährung. Je höher die Dosierung war, umso mehr zeigten sich diese persönlichen Veränderungen. Mein Bekanntenkreis dünnte sich aus, es war aber ein Prozess der längst fällig war.
Der Saufdruck wurde aber immer weniger und verschwand nach quälenden Wochen.
Nach einigen Wochen/ Monaten, stand ich vor der Möglichkeit zwar nicht mehr trinken zu müssen, aber auch vor der Situation mich von meinem alten Leben zu verabschieden. Da meine Familienverhältnisse bislang intakt waren, meine Sucht diese nicht beeinträchtigt hatten, stand ich vor der Wahl so weiter zu machen oder meine Therapie zu modifizieren.
Mit Friedrich Kreuzeder und einer das Forum betreuenden Ärztin, kam ich zu dem Entschluss Baclofen deutlich zu reduzieren und einige Monate später nur noch bei Bedarf (Saufdruck) einzunehmen. Das war eine sehr anspruchsvolle Zeit, verlangte sehr viel Disziplin und es kam natürlich zu unerwünschten Eskapaden. Soll heißen, es stand wieder Bier auf dem Tisch, die Menge war fast immer so wie früher. Ich habe nur in ganz seltenen Fällen Bier und Baclofen zusammen konsumiert, was mir aber auch überhaupt nicht bekommen ist.
Nach etwa einem halben Jahr, hatte ich es so im Griff, daß ich alle paar Wochen meinen Biertag hatte, ganz bewußt und geplant, dann aber am Tag danach nicht weiter trank. Irgendwann klappte das sogar ohne die Notfallration Baclofen. Nach einem guten Jahr etwa, nahm ich gar kein Baclofen mehr ein. Alle paar Monate mal 5 mg, die meine Angstattacken milderten. Dies auf Empfehlung der Ärztin des anderen Forums.
Als Fazit dieser kurzen und vermutlich etwas groben Zusammenfassung der letzten Jahre, bin ich den Foren und dem Medikament sehr dankbar, daß ich mein selbstbestimmtes Leben zurück habe. Meine Familienverhältnis sind stabil und vertrauensvoll aber eben ohne diese verdammte Alkoholsucht.
Alkohol meide ich fast immer, manchmal “gönne“ ich mir immer noch meinen Bierabend im Garten oder mit alten Kumpels. Aber immer geplant und immer nur dieser eine Tag. Komisch ist aber, daß ich nach so langer Zeit immer noch nicht gelernt habe nach 2 Bier aufzuhören, geht nicht, es müssen dann immer noch 5- 6 Flaschen sein. Das aber erinnert mich immer wieder daran wachsam zu sein und vermutlich für immer zu bleiben.
Ich hatte mir immer vorgenommen nach meiner Pensionierung meine Erfahrungen mit dem Forum zu teilen was ich in ganz groben Zügen hiermit getan habe.
Es gibt hier den Spruch “Baclofen schlägt einem das Glas nicht aus der Hand“. Da ist viel Wahres dran und soll heißen, daß Baclofen den Alkohol nicht ersetzt und Baclofen die Sucht nicht heilt, aber dieses Medikament hilft einigen dabei in eine Situation zu kommen, ihr selbstbestimmtes Leben zurück zu gewinnen.
Wie bei jeder Suchttherapie, ist das Medikament die Krücke, die einem beim Laufen des richtigen Weges hilft, es fährt einen nicht automatsch dort hin. Baclofen ist ein Teil der Therapie es ist aber immer noch ein langer und oft beschwerlicher Weg.
Wünsche allen hier einen erfolgreichen Weg aus der Sucht und trotz Allem ein gutes und glückliches Neues Jahr.
Viele Grüße, joogi8
Vorstellung von joogi8
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