Bin nun auch hier :) - Persönlichkeitsentwicklung, Berlin, Diskussionsrunden
Verfasst: 13. Oktober 2020, 13:00
Hallo liebe Alle,
ich hatte mich bereits im Frühling 2017 im nun geschlossenen Nachbar-Forum vorgestellt und damals auch mit Baclofen angefangen. Daher lässt sich der Beginn meiner Geschichte hier nachlesen:
http://alkohol-und-baclofen-forum.de/vi ... w=previous
Inzwischen bin ich 38 und in Berlin.
Nun will ich hier von meinen Erfahrungen seitdem erzählen. Und ich würde gerne Menschen finden um über diese Erfahrungen, Strategien zu diskutieren.
Baclofen hat auf mich einen positiven aber nicht ausreichenden Effekt. In den Zeiten in denen ich Baclofen genommen habe, habe ich insgesamt ca. 40 % weniger Alkohol getrunken als ohne. Teils war es etwas weniger Alkohol am Tag, aber vor allem hatte ich mehr Tage ohne Alkohol, konnte etwas leichter aufhören und das etwas länger durchhalten.
Trotzdem hatte ich noch genug Abende, die ich alleine vor mich hinvegetiert habe, genug Nächte in der ich die zweite Hälfte nicht richtig schlafen konnte, genug Morgen die ich mich einfach richtig scheiße gefühlt habe…
Neben Baclofen hat mir auch geholfen, dass ich mit Freunden darüber gesprochen habe, ihnen teils jeden Abend eine kurze Nachricht geschrieben habe, dass ich es für den Tag geschafft hatte. Die Versprechen das zu tun waren immer gut um die ersten Tage durchzuhalten. War aber keine sichere Methode und ich habe es bewusst abwechselnd mit meinen Freunden gemacht um keinen zu sehr zu belasten. Dieses Mitfiebern war gut hat aber nicht gereicht.
Hinderlich war vor allem, dass ich nie so richtig überzeugt war, nie wieder zu trinken. Und wenn ich dann wieder einmal getrunken hatte und mir sagte, jetzt soll es aber nur zwei Mal die Woche sein, hat dieser Grundsatz immer nur ein paar Wochen durchgehalten. Mit der Zeit wurden es weniger Wochen…
Nach einem bewegten Jahresanfang und einem Lockdown, der das Thema bestimmt für kaum jemanden leichter gemacht hat, habe ich mich final von der Idee verabschiedet, jemals wieder zu trinken. Parallel habe ich mich mit verschiedenen Themen im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung auseinandergesetzt, viele Bücher gelesen/gehört, viele Ideen verinnerlicht.
Zunächst hatte ich nach 2 und 3 Wochen Rückfälle von 6 und 2 Tagen, aber da ich in engem Austausch mit Freunden war und ich mich mit Ihnen regelmäßig über das Thema ausgetauscht habe, konnte ich ihnen die Rückfälle nicht verheimlichen und musste mit ihnen drüber reden und neu starten.
Inzwischen habe ich 83 Tage nichts getrunken (die längste Phase seit über 6 Jahren), habe meine Baclofen-Dosis schrittweise von 150mg/t auf 50mg/t reduziert, fühle mich super fit und verschwende deutlich weniger Gedanken daran wieder was zu trinken als in früheren Phasen.
Ich schreibe mir für jeden Tag auf einer Skala von 0 bis 10 auf, wie stark das Craving war 0 heißt: Alkohol war mir egal, 1: es wäre nett irgendwann mal wieder etwas zu trinken. 10 ist ein Rückfall.
Dieses mal habe ich fast nur 0-er, 3 war das Maximum und selbst an Tagen mit leichten Corona-Einsamkeits-Depressionen habe ich keine hohen Werte mehr. Ich scheine also deutlich weiter von einem Rückfall entfernt zu sein als früher.
Ich schreibe hier allerdings nicht rein, um gute Ratschläge zu geben. Ich will auch nicht behaupten, dass das, war mir geholfen hat, auch so auf andere übertragbar ist.
Ich schreibe hier, weil ich weiß, dass es nach wie vor für mich gefährlich ist, dass das Risiko bleibt. Ich schreibe hier rein, weil ich Menschen finden will, die mit mir kritisches Feedback geben und vielleicht schon ähnliche Dinge ausprobiert haben. Ich schreibe hier rein, weil ich gemerkt habe, wie unglaublich gut es war ein echtes Gespräch über Alkohol mit ebenfalls Betroffenen zu führen.
Was mir geholfen hat:
- Darüber zu sprechen (insbesondere Hilfreich waren lange Gespräche mit einer (nun trockenen) Alkoholikerin hilfreich)
- Sport
- Sozialkontakte
- Alkoholkonsum und Craving täglich zu tracken und über die Ergebnisse nachzudenken
- Die Überzeugung komplett und dauerhaft aufzuhören
- Das Buch Atomic Habbits von James Clear („Die 1 % Methode“ ist der weniger schöne Deutsche Titel)
- Ein Retreat mit einer unglaublich tollen Atmosphäre
- Eigenverantwortlichkeit akzeptieren
- Positives denken
- Allgemein, die Beschäftigung mit Persönlichkeitsentwicklung
- Ein neues (soziales) Hobby, dass mich begeistert
- Positive Ziele
- Dankbarkeit im Alltag
- Eis! Das verstehe ich selbst nicht, aber ich gehe teilweise noch nach 22:00 Uhr mit Heißhunger in einen Supermarkt und decke mich mit Eis so ein, wie ich es zuvor mit gewissen Getränken gemacht habe. Da ich aber genug Sport mache, schlägt sich das glücklicherweise nicht nieder.
Viele von diesen Dingen sind bei mir ausbaufähig. Insbesondere Gespräche mit Menschen, die meine Erfahrungen teilen, fehlen mir.
Solche Menschen habe ich bisher nur bei den Anonymen Alkoholikern (AA) gefunden. Einerseits taten diese Gespräche sehr gut. Aber obwohl ich gewisse Aspekte bei AA als sehr nützlich ansehe und denke, dass AA sehr vielen Leuten helfen kann, habe ich dort auch eine teils sehr dogmatische Haltung wahrgenommen: „Anonyme Alkoholiker und die 12 Schritte sind das einzige was hilft, alles andere trägt nicht zur Lösung bei“. Dabei hat sich AA seit 82 Jahren nicht weiterentwickelt und ich würde halt gerne auch mit Menschen über psychologische, soziale und sonstige Erkenntnisse sprechen, die sich seit 1938 ergeben haben.
Jetzt sehe ich gerade wie viel ich hier schon geschrieben habe und bin etwas überrascht…
Vielen lieben Dank dir jedenfalls, falls du es geschafft hast, bis hier unten zu lesen!
Ohne eine konkrete Frage zu haben würde es mich nun total freuen, wenn du mir einfach deine Gedanken dazu schreibst.
Ganz liebe Grüße
Amante
ich hatte mich bereits im Frühling 2017 im nun geschlossenen Nachbar-Forum vorgestellt und damals auch mit Baclofen angefangen. Daher lässt sich der Beginn meiner Geschichte hier nachlesen:
http://alkohol-und-baclofen-forum.de/vi ... w=previous
Inzwischen bin ich 38 und in Berlin.
Nun will ich hier von meinen Erfahrungen seitdem erzählen. Und ich würde gerne Menschen finden um über diese Erfahrungen, Strategien zu diskutieren.
Baclofen hat auf mich einen positiven aber nicht ausreichenden Effekt. In den Zeiten in denen ich Baclofen genommen habe, habe ich insgesamt ca. 40 % weniger Alkohol getrunken als ohne. Teils war es etwas weniger Alkohol am Tag, aber vor allem hatte ich mehr Tage ohne Alkohol, konnte etwas leichter aufhören und das etwas länger durchhalten.
Trotzdem hatte ich noch genug Abende, die ich alleine vor mich hinvegetiert habe, genug Nächte in der ich die zweite Hälfte nicht richtig schlafen konnte, genug Morgen die ich mich einfach richtig scheiße gefühlt habe…
Neben Baclofen hat mir auch geholfen, dass ich mit Freunden darüber gesprochen habe, ihnen teils jeden Abend eine kurze Nachricht geschrieben habe, dass ich es für den Tag geschafft hatte. Die Versprechen das zu tun waren immer gut um die ersten Tage durchzuhalten. War aber keine sichere Methode und ich habe es bewusst abwechselnd mit meinen Freunden gemacht um keinen zu sehr zu belasten. Dieses Mitfiebern war gut hat aber nicht gereicht.
Hinderlich war vor allem, dass ich nie so richtig überzeugt war, nie wieder zu trinken. Und wenn ich dann wieder einmal getrunken hatte und mir sagte, jetzt soll es aber nur zwei Mal die Woche sein, hat dieser Grundsatz immer nur ein paar Wochen durchgehalten. Mit der Zeit wurden es weniger Wochen…
Nach einem bewegten Jahresanfang und einem Lockdown, der das Thema bestimmt für kaum jemanden leichter gemacht hat, habe ich mich final von der Idee verabschiedet, jemals wieder zu trinken. Parallel habe ich mich mit verschiedenen Themen im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung auseinandergesetzt, viele Bücher gelesen/gehört, viele Ideen verinnerlicht.
Zunächst hatte ich nach 2 und 3 Wochen Rückfälle von 6 und 2 Tagen, aber da ich in engem Austausch mit Freunden war und ich mich mit Ihnen regelmäßig über das Thema ausgetauscht habe, konnte ich ihnen die Rückfälle nicht verheimlichen und musste mit ihnen drüber reden und neu starten.
Inzwischen habe ich 83 Tage nichts getrunken (die längste Phase seit über 6 Jahren), habe meine Baclofen-Dosis schrittweise von 150mg/t auf 50mg/t reduziert, fühle mich super fit und verschwende deutlich weniger Gedanken daran wieder was zu trinken als in früheren Phasen.
Ich schreibe mir für jeden Tag auf einer Skala von 0 bis 10 auf, wie stark das Craving war 0 heißt: Alkohol war mir egal, 1: es wäre nett irgendwann mal wieder etwas zu trinken. 10 ist ein Rückfall.
Dieses mal habe ich fast nur 0-er, 3 war das Maximum und selbst an Tagen mit leichten Corona-Einsamkeits-Depressionen habe ich keine hohen Werte mehr. Ich scheine also deutlich weiter von einem Rückfall entfernt zu sein als früher.
Ich schreibe hier allerdings nicht rein, um gute Ratschläge zu geben. Ich will auch nicht behaupten, dass das, war mir geholfen hat, auch so auf andere übertragbar ist.
Ich schreibe hier, weil ich weiß, dass es nach wie vor für mich gefährlich ist, dass das Risiko bleibt. Ich schreibe hier rein, weil ich Menschen finden will, die mit mir kritisches Feedback geben und vielleicht schon ähnliche Dinge ausprobiert haben. Ich schreibe hier rein, weil ich gemerkt habe, wie unglaublich gut es war ein echtes Gespräch über Alkohol mit ebenfalls Betroffenen zu führen.
Was mir geholfen hat:
- Darüber zu sprechen (insbesondere Hilfreich waren lange Gespräche mit einer (nun trockenen) Alkoholikerin hilfreich)
- Sport
- Sozialkontakte
- Alkoholkonsum und Craving täglich zu tracken und über die Ergebnisse nachzudenken
- Die Überzeugung komplett und dauerhaft aufzuhören
- Das Buch Atomic Habbits von James Clear („Die 1 % Methode“ ist der weniger schöne Deutsche Titel)
- Ein Retreat mit einer unglaublich tollen Atmosphäre
- Eigenverantwortlichkeit akzeptieren
- Positives denken
- Allgemein, die Beschäftigung mit Persönlichkeitsentwicklung
- Ein neues (soziales) Hobby, dass mich begeistert
- Positive Ziele
- Dankbarkeit im Alltag
- Eis! Das verstehe ich selbst nicht, aber ich gehe teilweise noch nach 22:00 Uhr mit Heißhunger in einen Supermarkt und decke mich mit Eis so ein, wie ich es zuvor mit gewissen Getränken gemacht habe. Da ich aber genug Sport mache, schlägt sich das glücklicherweise nicht nieder.
Viele von diesen Dingen sind bei mir ausbaufähig. Insbesondere Gespräche mit Menschen, die meine Erfahrungen teilen, fehlen mir.
Solche Menschen habe ich bisher nur bei den Anonymen Alkoholikern (AA) gefunden. Einerseits taten diese Gespräche sehr gut. Aber obwohl ich gewisse Aspekte bei AA als sehr nützlich ansehe und denke, dass AA sehr vielen Leuten helfen kann, habe ich dort auch eine teils sehr dogmatische Haltung wahrgenommen: „Anonyme Alkoholiker und die 12 Schritte sind das einzige was hilft, alles andere trägt nicht zur Lösung bei“. Dabei hat sich AA seit 82 Jahren nicht weiterentwickelt und ich würde halt gerne auch mit Menschen über psychologische, soziale und sonstige Erkenntnisse sprechen, die sich seit 1938 ergeben haben.
Jetzt sehe ich gerade wie viel ich hier schon geschrieben habe und bin etwas überrascht…
Vielen lieben Dank dir jedenfalls, falls du es geschafft hast, bis hier unten zu lesen!
Ohne eine konkrete Frage zu haben würde es mich nun total freuen, wenn du mir einfach deine Gedanken dazu schreibst.
Ganz liebe Grüße
Amante