Tach schön, Aguti
Und willkommen im Forum und vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht. Es stimmt schon, dass das Medikament Baclofen meist auch eine angstlösende Wirkung hat. Oft sind es ja diffuse oder ganz dezidierte Ängste, welche zu übermäßigem Alkoholkonsum führen. Wirklich verstanden hat man die Wirkungsweise von Baclofen noch nicht, vielleicht ist es ja auch ein „Henne-Ei-Problem“ (Angst-Alkohol). Egal: Du scheinst auf das Medikament sehr gut anzusprechen, es tut Dir gut, und das ist die Hauptsache.
In Deinem Brief an die Krankenkasse wirfst Du auch einige Fragen auf. Ich bin gespannt, wie die Krankenkasse darauf reagieren wird und stelle einstweilen mal einige Antworten aus meiner Sicht zur Diskussion:
Aguti hat geschrieben:Wird mir das Medikament "off Label" verordnet?
Ganz klar Ja. Baclofen ist für die Behandlung von Süchten oder Angstzuständen nicht offiziell zugelassen, obschon es für diese Indikationen sehr gut wirkt. "Off Label" Verschreibung von Medikamenten ist jedenfalls
gängige Praxis.
Aguti hat geschrieben:Nehme ich das Medikament auf eigenes Risiko?
Ganz klar Nein. Dein Arzt und Du handeln gemeinsam im Rahmen eines sogenannten individuellen Heilversuches. Das ist ebenfalls gängige ärztliche Praxis. Negative und positive Aspekte der „Off-Label-Behandlung“ werden gemeinsam abgewogen und dann zieht man das gemeinsam durch. Umsichtige Ärzte und Patienten sichern sich mit einer
entsprechenden Vereinbarung (*) ab.
Aguti hat geschrieben:Gibt es für meinen Arzt irgendwelche rechtlichen Konsequenzen wenn er mir das Medikament verschreibt? Ihr Mitarbeiter sprach von Regressforderungen. Wenn ja, kann ich Ihn davon freisprechen?
Regressforderungen könnte es geben, wenn der Arzt das Medikament als „kassenerstattungspflichtig“ verschreibt, obwohl das Medikament für diese Anwendung nicht kassenerstattungspflichtig ist. Aber ansonsten? Zwei Parteien handeln einvernehmlich, die erforderliche gründliche Aufklärung fand statt und es kann sogar eine
Haftungsfreistellung (*) vereinbart werden. Welchen Wert eine solche Haftungsfreistellung im **extremen** Fall vor Gericht hat, weiß kein Mensch, jedenfalls ich nicht, und wenn Du drei verschiedene Juristen befragst, wirst du sechs unterschiedliche Meinungen hören.
Das was Mut macht, ist die Tatsache, dass Baclofen insgesamt betrachtet ein recht „harmloses“ Medikament ist, über dessen Toxikologie man seit Jahrzehnten Bescheid weiß, auch in
hohen Dosierungen, wie sie zur Behandlung des Alkoholismus oft notwendig sind. Bekräftigt wurde der oben verlinkte positive Bericht der Französischen Agentur für Medikamentensicherheit (publiziert 2012, für den Untersuchungszeitraum 2011)
soeben auch 2013 (ab Seite 22) im Rahmen der geplanten vorgezogenen französischen Zulassung des Medikaments zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit. Kurzum: Baclofen ist ein recht „harmloses“ Medikament mit großem „Off-Label“- Potential.
Man schätzt, dass in Frankreich inzwischen rund 10‘000 bis 15‘000 Ärzte Baclofen zur Behandlung der Alkoholsucht verschreiben, und dabei mehr das Wohl des Patienten als fiktive juristische Scherereien im Auge haben.
Aguti hat geschrieben:Kann ich die Dosierung selbst bestimmen (es ist mir bewusst, dass man mit bestimmten Dingen wie z. B. Autofahren vorsichtig sein muss)?
Ganz klar Ja. Erfahrene, mit Baclofen behandelnde Suchttherapeuten lassen den Patienten die Dosis selbst bestimmen. Denn nur letzterer „spürt“, bei welcher
individuellen Dosis das Medikament bei ihm am besten „wirkt“ und in einem akzeptablen Verhältnis zu möglichen
Nebenwirkungen steht. Wachen sollte der behandelnde Arzt jedenfalls über die Zuverlässigkeit der Einnahme (Compliance) und über das
Tempo der Aufdosierung, um möglichen Nebenwirkungen bestmöglich aus dem Weg zu gehen.
DonQuixote
(*) Dank an dieser Stelle erneut an Dr. Ulrich. E. Hammerla für die Bereitstellung der Musterformulare.