suche Hilfe für einen Freund

Es wird eigentlich erwartet, dass sich Mitglieder vorstellen und ihre Lebensumstände schildern, damit die anderen in Etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben und ihm dann auch besser helfen können.
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Hinotori
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Mann oder Frau?: Ich habe keine AHNUNG

suche Hilfe für einen Freund

Beitragvon Hinotori » 2. August 2015, 08:02

Hallo, @all,

mein Name ist Felicitas, ich habe mich angemeldet als betroffene "Angehörige", für einen Freund, in dessen Namen ich hier Hilfe suche. Kurz unsere Geschichte:

Ich wohne in einem für mich viel zu großen Haus, habe daher einen WG-Mitbewohner gesucht und nach langer Suche auch einen wirklich netten Menschen gefunden, Oliver.

Er zog vor etwa 6 Wochen bei mir ein. Zunächst war alles gut. Vor 10 Tagen fand ich ihn dann in seinem Zimmer sturzbetrunken vor. Und dann kam die ganze Wahrheit ans Tageslicht: er ist seit seinem 8. Lebensjahr Alkoholiker, zum Zeitpunkt seines Einzuges bei mir trocken, aber durch den Wechsel der Lebensumstände vom schlechten zum guten rückfällig geworden. Hört sich blöd an, ist aber so. Er hat in seinem 48jährigen Leben schon gefühlte 100 kalte und mehrere stationäre Entzüge mitgemacht. Was dazu kommt, ist eine posttraumatischer Belastungsstörung, aufgrund derer er auch EU-berentet ist. Eigentlich ist sein ganzes Leben bis jetzt eine mehr oder minder große Katastrophe gewesen, sagt er selber.

Da ich ihn sehr schätzen gelernt habe, möchte ich ihm helfen. Wir haben als erstes zusammen eine akzeptable Suchtklinik gesucht, in der er gerade einen stationären Entzug mitmacht. Danach möchte er wieder zurückkommen und weiter mit/bei mir wohnen. Das geht aber nur, wenn er dauerhaft trocken bleibt, denn die letzten Tage waren für mich echt schwer, nochmal halte ich so etwas nicht durch.

Nach der Klinik wird es eine ambulante Psychotherapie geben, aber Oliver sagt ganz klar, er muss und möchte auch etwas gegen das Craving machen, denn das könnte ein Problem werden. Und da kommt Baclofen ins Spiel - und deswegen bin ich hier.

Ich erhoffe mir hier zum einen einfach nur seelischen Beistand, dazu Informationen über Baclofen und natürlich hoffentlich einen Hinweis zu einem Arzt, der das verschreibt.

Liebe Grüße

Felicitas

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Papfl
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Re: suche Hilfe für einen Freund

Beitragvon Papfl » 2. August 2015, 10:12

Moin Felicitas!

Herzlich willkommen im Forum [hi_bye] ! Schön, dass Du/Ihr zu uns gefunden hast/habt [smile] .

Zunächst mal finde ich es ganz klasse, dass Du Dich um Deinen Mitbewohner/Bekannten/Freund sorgst und ihm helfen möchtest [good] . All zu oft grassiert leider immer noch die alte Mär, man müsse abhängige Menschen fallen lassen. Sie müssten erst ganz unten angekommen sein, um wieder aufstehen zu können...das ist Quatsch.

Trotzdem wäre es natürlich schön, wenn sich Oliver selbst hier einbringen würde. Du kannst ihn bei seinem Weg aus der Abhängigkeit unterstützen - Du kannst den Weg aber nicht für ihn gehen. Er muss schon auch selbst wollen. Nun schreibst Du...

Hinotori hat geschrieben:Wir haben als erstes zusammen eine akzeptable Suchtklinik gesucht, in der er gerade einen stationären Entzug mitmacht.

...dann kann er jetzt natürlich nicht persönlich schreiben, das ist klar [smile] . Aus "rein organisatorischen Gründen" macht es auch Sinn, dass Du Dich jetzt schon mal vorab ausführlich informieren möchtest. Man erzielt die besten Erfolge mit Baclofen bei abstinentem Beginn, deshalb wäre ein Start nach Entlassung aus der Entzugsklinik für Oliver ideal. Wie gesagt: Wenn er das auch will, wovon ich jetzt einfach mal ausgehe. Oliver muss nämlich selbst das meiste dazu beitragen, sonst funktioniert das Ganze auch mit Baclofen nicht. Baclofen ist keine Wunderpille, die man schluckt und alles wird gut.

Aber das Medikament kann zumindest mal ein Stück weit dafür sorgen, dass der Kopf frei wird, um dann in der ambulanten Therapie möglichst "cravingfrei" die anderen Baustellen (PTBS etc.) anzugehen.

Ohne Dich/Euch entmutigen zu wollen, aber das ist noch ein ganzes Stück Arbeit. Für Euch beide :wink: .

Hinotori hat geschrieben:Danach möchte er wieder zurückkommen und weiter mit/bei mir wohnen. Das geht aber nur, wenn er dauerhaft trocken bleibt, denn die letzten Tage waren für mich echt schwer, nochmal halte ich so etwas nicht durch.

Rückfälle gehören zum Krankheitsbild einer Abhängigkeitserkrankung. Sie sind für niemanden angenehm, schon gar nicht für die Betroffenen. Aber sie können vorkommen. In diesem Zusammenhang zusätzlichen Druck zu erzeugen, ist wenig hilfreich. Damit erreichst Du im schlimmsten Fall, dass Oliver versucht, einen möglichen Rückfall vor Dir zu verheimlichen. Aus Angst, Scham, Schuldgefühl etc.. Dann geht das "heimliche" Trinken los, weil er wahrscheinlich nicht von alleine wieder aufhören kann. Du kommst irgendwann dahinter. Er wird alles abstreiten, eventuell lügen. Und das Gefühlschaos ist auf beiden Seiten vorprogrammiert.

Wenn Oliver rückfällig werden sollte, macht er das nicht absichtlich. Deshalb ist es sinnvoller, ein Klima zu schaffen, wo er sich trauen kann, es zuzugeben, wenn er wieder getrunken hat. Nichts ist wichtiger, als den Rückfall schnellstmöglich wieder zu beenden (notfalls mit einem erneuten Klinikaufenthalt) und danach zu schauen, wo die Auslöser für den erneuten Griff zur Flasche lagen. In jedem Rückfall liegt auch eine Chance.

Das heißt natürlich nicht, dass Oliver diesbezüglich "Narrenfreiheit" genießen kann. Die Krankheit als Entschuldigung für alles herhalten muss. So nach dem Motto: "Ich kann ja nichts dafür, bin halt Alkoholiker."

Weshalb ich an dieser Stelle gerne unser Forenmitglied @GoldenTulip zitieren möchte, die in der Vergangenheit ein paar sehr schlaue Sätze :-!? zum Thema Umgang/Verhalten von Angehörigen/Bekannten/Freunden gegenüber alkoholabhängigen Menschen geschrieben hat:

GoldenTulip hat geschrieben:Co-Abhängigkeit kann für Angehörige durchaus zu einem eigenständigen Problem werden. Wenn man sein Leben hauptsächlich auf die Bedürfnisse des kranken Partners einstellt, hat man ein Problem.
Wenn man jemanden liebt und selbst eigene Grenzen zu wahren imstande ist, hat man eben kaum welche. Konkret: Wenn mich mein besoffener Freund nachts um 02:00 anruft und Gesprächsbedarf hat, wünsche ich eine gute Nacht und lege mich alleine wieder schlafen. Und bitte ihn am nächsten Tag, solche Unhöflichkeiten zu unterlassen.

Die bessere Frage wäre daher, ob Du Dich beeinträchtigt und manipuliert fühlst. Dein Freund muss nicht erst Haus, Hof, Führerschein und Arbeit verlieren - sprich, in der Gosse landen- damit er ein Recht auf Hilfe und Unterstützung hat.
Er wiederum hat kein Recht darauf, Dich schlecht zu behandeln, nur weil er alkoholkrank ist. Gegenseitiger Respekt ist der Schlüssel.

von hier
GoldenTulip hat geschrieben:Liebevoll bezogen zu bleiben, und sich gleichsam konsequent auf sich selbst zu beziehen. Sich nicht in den Strudel zu begeben, und mit unterzugehen. Grenzen zu setzen, die einenen selbst schützen. Bis hier hin und nicht weiter. Als Fußabtreterin tust Du ihm keinen echten Dienst.
Ich bin beidseitig betroffen, als jemand, die trinkt, und habe gleichzeitig viele "Co-Anteile". Das hat mich gelehrt, in den nüchterneren Phasen des anderen Verabredungen zu treffen und ggf. auch aufzuschreiben, was verabredet worden ist. Das funktioniert in der Praxis ganz gut.
Bei Alkoholikern ist ja nicht das Problem, dass ihre Bedürfnisse "falsch" sind, sondern dass die Umsetzung oftmals nicht gut gelingt. Kommt dann diese scheußliche Lamoryanz (Ich bin das ärmste Wesen der Welt) dazu, wird es anstrengend - das killt dann auch die größte Liebe.
Mich nervt am meisten, wenn mein Gegenüber keine Verantwortung mehr für seine Handlungen/ Äußerungen zu übernehmen gewillt ist.

von hier

Vielleicht meldet sich @GoldenTulip ja im Laufe des Tages hier auch nochmal [smile] .

Hinotori hat geschrieben:Ich erhoffe mir hier zum einen einfach nur seelischen Beistand, dazu Informationen über Baclofen und natürlich hoffentlich einen Hinweis zu einem Arzt, der das verschreibt.

Einen ersten Überblick rund um das Medikament findest Du in unserer Rubrik Baclofen erste Schritte, konkreter im Baclofen-Arztkoffer und Alles Wichtige auf einen Blick. Genaueres zur Dosierung und Therapie findest Du im Leitfaden für die Anwendung.

Recht aktuell ist der Faden über die neue BACLAD-Studie.

Eine entsprechende Anlaufstelle für einen baclofenverschreibenden Arzt in Deiner Nähe findet sich bestimmt auf unserer Ärzteliste. Bei Interesse möchte ich Dich bitten, unseren Admin @DonQuixote kurz mit einer Privaten Nachricht (PN) anzuschreiben und ihm Deinen Wohnort samt Postleitzahl mitzuteilen. Er wird sich dann per E-Mail bei Dir melden.

Ganz besonders ans Herz legen möchte ich Euch das Buch "Das Ende meiner Sucht" von Olivier Ameisen. Der Kardiologe Olivier Ameisen war selbst betroffen und hat Baclofen als Therapieoption bei Abhängigkeitserkrankungen (wieder)entdeckt. Das Buch ist spannend zu lesen! Ihr könnt die E-Book-Version des Buches auch kostenlos über dieses Forum "ausleihen". Bei Interesse schreibt das einfach in die Private Nachricht (PN) an unseren Admin @DonQuixote mit rein.

Alles Gute einstweilen [hi_bye] . Und vielleicht meldet sich Oliver ja selbst doch noch hier an, wenn er wieder zu Hause ist.

Papfl
„Der Hori­zont vie­ler Men­schen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nen­nen sie dann ihren Stand­punkt."
Albert Ein­stein (1879 - 1955)


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