Beitragvon DonQuixote » 19. Februar 2012, 19:24
Hallo erst mal
Hier ein neuer Zwischenbericht. Alte Texte sind in kleinerer Schrift, nicht mehr gültige Texte sind und durch neue ergänzt. Mein erster Bericht
Soderle. Nehme nun seit 5 Wochen BAC (Baclofen) Nachstehend mein zweiter Bericht. Statistik siehe und meine Vorstellung .
Ausgangslage:
Kritischer Alkoholkonsum bereits ab ca. 1984. Wirklich Alkoholabhängig seit ca. 1995.
Bisherige Versuche von der Sucht weg zu kommen gab es nicht. Ich war allerdings in den vergangenen Jahren schon drei Mal langfristig und während des Fastenmonats Ramadan in muslimischen Ländern. Da gab es während 6 Wochen keinen Tropfen. Das hatte ich immer als sehr wohltuend empfunden. Körperliche Entzugsbeschwerden hatte ich keine. Doch schon am ersten Tag nachdem die einschlägigen Geschäfte wieder geöffnet hatten, ging’s mit der Trinkerei sofort wieder los.
Erschwerend: Bin seit Anfang Oktober 2011 arbeitslos, deshalb keine geregelten Tagesabläufe. Alkoholkonsum entsprechend hoch, zuletzt bei einem Äquivalent von ca. 2 Liter Wein pro Tag. Alles durcheinander, Bier, Wein, Schnaps. Das ging schon morgens nach dem Aufstehen los.
Den Alkoholkonsum habe ich bereits 10 Tage vor der ersten BAC-Einnahme von einem Tag auf den anderen auf 1,0 bis 1,5 Liter Bier reduziert. Keine körperlichen Entzugsbeschwerden.
Ziel und Wege der BAC-Therapie:
Zunächst mal weg vom Alkohol. Ob totale Abstinenz oder gemäßigter Konsum lasse ich erst mal offen. Wobei letzteres natürlich problematisch ist. Ich lasse es trotzdem mal offen. Alles ist besser als der Zustand vor der BAC-Therapie.
Wenn sich dann hoffentlich bei weiterer Erhöhung der BAC-Dosis der „Switch“ einstellt, d.h. komplettes Verschwinden des Cravings, d.h. Gleichgültigkeit gegenüber Alkohol, dann werde ich weitersehen. Dann wird’s wohl auf totale Abstinenz hinauslaufen. Erst mal Geduld, Geduld und nochmals Geduld.
Auch ein gewisses Maß an Nebenwirkungen soll mich nicht abschrecken solange sie in eindeutig positiver Relation zu den Nebenwirkungen des Alkoholkonsums stehen.
Einer sehr langfristigen BAC-Einnahme über Jahre oder sogar lebenslang stehe ich aufgeschlossen gegenüber. Wenn’s denn sein muss, muss es eben sein.
In Sachen Baclofen-Therapie gegen Alkoholsucht bin ich natürlich nach nur etwas mehr als einem Monat noch ein Küken. Das ist mir schon klar. Eine belastbare Aussage werde ich wohl erst nach sechs oder zwölf Monaten machen können.
BAC-Beschaffung:
Bei .
Bestellung am 05.12.2011, 100 x 25 mg, Lieferung am 14.01.2012. Hat also schier unendliche 40 Kalendertage gedauert. Lieferung in die Schweiz. Keine Zoll-Probleme.
Inzwischen habe ich auch Erfahrungen mit dem und mit gemacht. Nicht alle waren positiv. Einige Dinger sind noch am Laufen. Sobald ich alle Fakten zusammen habe, werde ich in einem separaten Thread darüber berichten.
Dosierung:
Beginnend am 15.01.2012 mit 3x6,25 mg/Tag, dann nach jeweils drei Tagen 3x6,25 mg zusätzlich. Einnahme morgens, mittags, abends. . Siehe .
Ich war insgesamt vier Tage auf 130 mg/Tag. Aber ich merkte auch, dass eine weitere Erhöhung wahrscheinlich nichts bringen würde. Der Erfolg ist ja durchaus ok und der kleine Rest wohl Kopfsache (siehe weiter unten, unter „Alkoholkonsum nach BAC-Einnahme“). Ich reduziere jetzt langsam wieder und bin bei 110 mg/Tag. Mal sehen, ob ich mich bei 40-70 mg einpendeln kann. Eile habe ich jedenfalls nicht.
Sonst keine anderen Medikamente.
Begleitende Therapien:
Bisher keine. BAC-Einnahme als Selbst-Therapie. Werde das erst mal ein bis zwei Monate so weitermachen und dann hoffentlich positive Resultate vorweisen können. Eine positive Tendenz zeichnet sich ja jetzt schon ab.
Bemühungen, einen Arzt / Therapeuten zu finden, der einer „off label use“-Therapie mit Baclofen gegen Alkoholsucht aufgeschlossen gegenüber steht, sind Ich mache sonst in keiner Selbsthilfegruppe mit, außer in diesem Forum natürlich.
Craving nach BAC-Einnahme:
Alkohol-Craving vom ersten Tag an deutlich reduziert. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass mir irgendetwas fehlt. Ich befriedige dieses Gefühl durch die übermäßige Einnahme von Essen, Zigaretten und Kaffee. Siehe auch nachstehend bei „Nebenwirkungen“.
Das Craving ist immer dann am höchsten, wenn Konzentration und Kopfarbeit gefordert sind. Vor allem auch abends.
Craving ist jetzt voll ok. Damit könnte ich leben.
Alkoholkonsum nach BAC-Einnahme:
Höchstwert 2,0 Liter anlässlich einer Einladung zum Abendessen.
Das Abendessen hat sich übrigens in identischer Besetzung wiederholt. Die Anderen tranken wie üblich maßvoll ihren Wein oder ihr Bier. Ich blieb beim Tee. Es kostete mich nicht die geringste Mühe.
Ich habe mich recht stabil bei einer Dose Bier (0,5 Liter) pro Tag eingependelt. Warum jetzt diese eine Dose noch? Es wäre eigentlich so leicht. Ich könnte problemlos um 23:00 ins Bett gehen, eine viertel Stunde lesen und dann ratzpfatz einschlafen. Aber ich tu‘s nicht. Diese eine Dose soll jetzt noch sein und an der süffle ich dann zwei Stunden rum. Alte Gewohnheit? Belohnung? Verdrängung? Sucht? Ich hab keine Ahnung.
Erschwerend kommt hinzu, dass mein Alkohol-Bunker noch prall gefüllt ist. Alles was das Trinkerherz begehrt. Bier, Wein, Schnaps in wirklich großen Mengen. Bier habe ich allerdings nachgekauft. Insgesamt 12,0 Liter. Tönt erst mal paradox, ich weiß. Der Gedanke ist folgender: Wenn ich schon dem Craving nicht widerstehen kann, dann soll es wenigstens Bier sein und nicht etwa Wein oder Schnaps.
Nebenwirkungen Allgemein:
Nachstehend eine Aufzählung von Nebenwirkungen. Ich schreibe auch manchmal zu allgemein bekannten und oft genannten Nebenwirkungen. Auch wenn ich davon nichts spüre. Einfach nur um zu sagen, dass ich eben nichts spüre. Das kann für den einen oder anderen von Euch ja auch nützlich sein.
Dann ist die eine oder andere „Nebenwirkung“ vielleicht gar nicht der BAC-Einnahme geschuldet sondern ganz simpel ein Ergebnis des stark verminderten Alkoholkonsums. Eine saubere Trennung ist da sicher nicht möglich. Das muss sie für mich vorläufig auch nicht sein. Ich versteh das im Moment eher als „Gesamtpaket“.
Nebenwirkung Schwindel:
Ganz klar vorhanden. Mehr als das: BAC macht mich richtig high, jedenfalls ab einer Dosis von 75 mg/Tag. Nicht total unangenehm, aber auch kein wirklich hinzunehmender Dauerzustand. Mal sehen was sich noch ergibt.
Nebenwirkung Kopfschmerzen:
Keinerlei Kopfschmerzen mehr.
Nebenwirkung Konzentrationsfähigkeit:
War ab einer Dosis von 75 mg/Tag ganz klar reduziert. Wenn ich im Job wäre, wäre das sicher nicht ganz unproblematisch. Auch beim Autofahren muss ich verdammt aufpassen. Autofahren muss ich glücklicherweise zurzeit jedoch so gut wie nie.
Konzentration immer noch eher schwach, ich arbeite aber dennoch genauer, präziser und gehe planmäßiger vor.
Nebenwirkung Alkoholverträglichkeit:
Das ist für mich bisher die erstaunlichste Nebenwirkung. Schon nach geringen Mengen Alkohol bin ich so was von zugedröhnt. Mir bekommt das Zeug nicht mehr. Es schmeckt auch eklig und kostet schon fast Überwindung es zu schlucken. Nicht unangenehm diese Nebenwirkung und sicher irgendwie auch zielführend.
Nebenwirkung Essen, Rauchen, Kaffee:
Wie gesagt wird das Alkohol-Craving nach Essen, Zigaretten und Kaffe umgelenkt.
Unglaublich, was ich an Essen in mich hineinstopfe. Mit einem BMI-Index von 28,4 bin ich so schon nicht eben der schmalste. Nach Maßstab des Idealgewichtes bei 1,83 m Körpergröße habe ich 10 bis 20 Kg zu viel auf den Rippen.
Zigarettenkonsum ist ebenfalls extrem angestiegen. Zwei Packungen pro Tag gehen zurzeit schon drauf. Das ist die doppelte Menge von vorher.
Kaffee ist auch so ein Thema. Davon trinke ich auch viel zu viel.
Wichtig ist viel trinken. Den Umgang mit nichtalkoholischen Getränken musste ich dabei erst neu lernen. Früher hatte ich so gut wie nie etwas getrunken, das keinen Alkohol enthielt. Zuckerhaltiges vermeide ich, ich saufe Wasser wie ein Pferd. Inzwischen auch kein kohlensäurehaltiges mehr, einfach nur Wasser vom Hahn. Das ist unbeschränkt verfügbar und unschlagbar günstig.
Nebenwirkung „Klare Sicht“:
Ebenfalls erstaunlich. Ich sehe und denke viel klarer. Wie wenn ein Nebel von mir abgefallen wäre, der mich Jahre und Jahrzehntelang umschwebte. Wie weggeblasen. Ist vielleicht aber keine BAC-Nebenwirkung sondern einfach nur das Verschwinden des Alkoholnebels oder vielleicht beides. Jedenfalls sehr angenehm.
Oft habe ich den Eindruck, dass Baclofen leicht euphorisierend wirkt. Oder ist es einfach nur die Freude, meinen Alkoholkonsum auf praktisch Null gesenkt zu haben?
Nebenwirkung Sozialverhalten:
Sehr wichtiger Punkt. Seit meiner Jugend leide ich unter einer ziemlichen Sozialphobie. Sicher mit ein Grund für meine Alkoholsucht. Ich gehe Sozialkontakten möglichst aus dem Weg. Ich habe längst aufgehört, mich dafür zu schämen. Es ist einfach so wie es ist. Trotzdem belastet es mich sehr.
Seit der kurzen Zeit der BAC-Therapie empfinde ich bei Sozialkontakten die sich nicht vermeiden lassen eine gewisse Gelöstheit. Ich sage mehr als nur ein knurrendes „Guten Tag“. Manchmal komme ich sogar richtig ins plaudern. Nicht übermäßig, aber für meine Verhältnisse schon richtig viel. Auch meiner Frau gegenüber bin ich entspannter und toleranter. Meistens hat sie ja sowieso Recht.
So kann’s meinetwegen weitergehen.
Nebenwirkung Schlafverhalten:
Ebenfalls sehr angenehm. Durch den erhöhten Kaffekonsum gehe ich zwar sehr spät zu Bett, so zwischen 01:00 und 02:00. Wenn es aber so wie ist, falle ich in Minutenschnelle in einen tiefen, unterbrechungs- und traumlosen Schlaf. Morgens wache ich dann total ausgeruht und fit auf. Kein Vergleich zum vorherigen, total chaotischen Schlafverhalten. Fühlt sich toll an.
Nebenwirkung Träume:
Der in anderen Berichten oft genannte und meist als unangenehm empfundene Effekt von „glasklaren Träumen“ trat bei mir nicht auf. Das Gegenteil war der Fall. Ich empfand diese wirklich heftigen Träume zwar nicht negativ. War manchmal echt spannend und unterhaltsam.
Das ging oft so weit, dass ich aufwachte, mich kurz umblickte, wieder einschlief und nahtlos weiter träumte. Ich vermisse diese Träume nicht im Geringsten.
Solche „glasklare Träume“, manche sagen auch Alpträume oder Albträume dazu, kommen manchmal wieder. Nicht in dem Ausmaß wie früher, aber manchmal eben. Einmal war es
Nebenwirkung Tagesmüdigkeit:
. Das sonst übliche Nickerchen am Nachmittag entfällt ersatzlos.
Ich habe jetzt täglich Schlafattacken, allerding nie vor 17:00 Uhr. Viele von Euch kennen das. Wenn man nicht aufpasst, kippt man fast vom Stuhl. Das kostet jeweils ziemlich Überwindung, dagegen anzukämpfen. In meiner Situation geht das. Aber wenn man in einem Job ist?
Nebenwirkung Motivation:
Na ja, könnte besser sein. Ich habe mir da eigentlich mehr erhofft. Weniger von der BAC-Einnahme natürlich, umso mehr jedoch von der Reduzierung des Alkohol-Konsums. Lange liegengebliebenes bleibt leider weiter liegen. Ich erledige nur grad das Nötigste oder was mir Lustgewinn verschafft. Aber was soll‘s. Ohne Reduzierung des Alkohol-Konsums wird eh nichts besser. Also einfach auf Kurs bleiben.
Nebenwirkung Kurzzeitgedächtnis:
Das war bei mir immer schon problematisch. Ist jetzt genau so schlecht wie vorher.
verpasse ich nie eine Pilleneinnahme und nehme sie zeitlich sehr regelmäßig. Einkaufen gehe ich nur mit Einkaufszettel aber das war früher auch schon so.
Nebenwirkung Nägelkauen:
Den Hang zum Nägelkauen habe ich seit meiner frühen Jugend. Nicht extrem, bis zu blutenden Fingerkuppen, aber doch unschön. Ist bereits in den ersten Tagen der BAC-Einnahme wie weggeblasen. Inzwischen benutze ich sogar schon eine Nagelfeile.
Nebenwirkung Hund:
Nichts. Einfach nur nichts. gehorcht nicht besser als früher. Da ist noch viel Arbeit angesagt.
Immer noch nichts. Und dann guckt er noch frech, der
Fazit:
Erst mal so weit so gut. Ich bin zwar erst fast trocken , aber immerhin das. Geduld, Geduld, Geduld. Der Zukunft sehe ich jedenfalls mit einiger Zuversicht entgegen.
Der Grundstein ist gelegt, der Rohbau steht, jetzt mache ich mich an die Abdichtung (sic!) von Dach und Keller.
Berichten werde ich hier nicht täglich. Nicht weil es zu aufwändig wäre. Vielmehr verzettelt man sich bei täglichem Bericht halt gerne und verliert vielleicht das große Ganze aus den Augen. Die sollte jedoch stets Tagesaktuell sein. Ihr könnt dann auch ruhig nachfragen, falls an einem gewissen Tag mal 10 Bier auftauchen sollten.
Gruß und bis demnächst
DonQuixote
Edit 1 und 2: Tippfehler
Zuletzt geändert von
DonQuixote am 21. Februar 2012, 17:23, insgesamt 2-mal geändert.
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