nachdem ich mich auf die zunächst allgemeine Suche im IN nach medikamentöser oder sonstwie geartete Unterstützung bei der Bekämpfung meines Alk-Problemes gemacht hatte, fand ich mich sodann auch hier
im Forum wieder.
Ich habe einige Tage intensiv gelesen und war von den vielen hier geschilderten Schicksalen, den individuellen Situationen, den Leidens- und Werdegängen, nun, wie soll ich es sagen, --> einerseits betroffen, andererseits
aber auch hoffnungsvoll, dass es hier und durch dieses Forum gelingen kann, nachhaltig etwas zu verändern.
Tja, wo und wie fange ich mit meiner Vorstellung an?
Ziemlich blockiert durch jahrzehntelange gesellschaftliche/soziale Zwänge habe ich jetzt in dem Bewusstsein
(in der Hoffnung?), dass meine Situation bisher unentdeckt blieb, noch ziemliche Hemmungen, mich,
zudem einer größeren Zahl unbekannter Menschen gegenüber, zu outen.
Aber vielleicht ist es ja gerade die Anonymität und das Wissen darum, unter "Leidensgenossen" zu sein,
die es leichter machen, sich zu öffnen.
Aber zunächst zu mir:
Ich bin nunmehr 66-jährig ein pensionierter Beamter aus einer nicht so ganz unwichtigen Position
in einer großen deutschen Behörde.
Ich bin seit 43 Jahren unterbrechungsfrei verheiratet und wir haben zwei erwachsene Kinder mit eigenen Familien.
Derweil springen hier gelegentlich auch 3 gesunde und fixe Enkel/innen herum.
Ich bin unbestraft, habe nicht mal Punkte in Flensburg und habe seit 46 Jahren ununterbrochen einen Führerschein.
Auf Grund von absoluter Bewegungsunlust und auch "unangepasster Ernährung" bin ich viel(!) zu fett,
was letztlich wohl auch die Ursachen für Bluthochdruck, eine Herzinsuffizienz sowie diverse Knochen- und Gelenksprobleme sind.
(Drogen oder Medikamente sind nie ein Thema gewesen, da gab es niemals Kontakte zu,
das inhalative Zigarillorauchen habe ich vor gut 8 Jahren aufgegeben. )
Finanziell geht es uns recht gut, wir leben zu zweit in einem in '73 gebauten, nunmehr schuldenfreien
großen schönen Haus mit viel Grün drum herum, und das Leben mit seinem zwar öden täglichen Einerlei,
aber dennoch mit einem reizvollen Hobby könnte so schön sein, wenn da nicht..., ja, wenn da nicht
der Alk mehr und mehr Besitz von mir ergreifen würde.
Retrospektiv:
Angefangen hat es quasi als junger Schüler in der Gruppe, ein kleines 2 cl-Fläschchen irgend eines
süßen Likörs hatte neben der nicht unangehmen berauschenden Wirkung auch die Folge,
dass bei einem späteren Anlass schon wieder so ein Fläschchen geleert und mit einem halben Glas Bier
abgespült wurde. Das war mit 16 mein erswter Alkoholkontakt.
An dieser Stelle sei eingeschoben, dass mein Vater über viele viele Jahre dem Trunke fröhnte,
das ist in diesem Zusammenhang aber nicht vorwerfbar, obwohl eine gewisse familiäre Disposition
in der Fachwelt diskutiert wird.
Dann war für viele Jahre Stille um das Thema Alkohol, die sport- und leistungsorientierte Ausbildung
ließ für solche Exzesse keinen Raum, von seltenen sog. "Stubenabenden" mit einer Flasche Bier/Person
mal abgesehen.
Es folgten die Jahre der Etablierung im Beruf, man bekam mehr und wichtigere Aufgaben,
alsbald ein eigenes Ressort und "eigene" Mitarbeiter, die man umsorgen musste.
Seinerzeit gab es häufiger gesellschaftliche Anlässe, Feiern, Jubiläen, zu denen der Alk wie selbstverständlich
dazu gehörte. Auch private Anlässe in kleinem privaten Kreise waren immer wieder Anlass, sich
"die Glocke zuzuziehen", bis hin zu rein zum Zwecke des "Saufens" häufig organisierte "Männerabende".
(Aber alles ohne Außenwirkung, ohne Exzesse oder Entgleisungen. Alles ruhig, gehoben und gut bürgerlich!)
Damals wusste man zwar diffus um Risiken und Gefahren des Alkohols, ja auch die Suchtgefahr war
durchaus bekannt, aber, wie das immer so ist: "Aach, ich doch nicht, ich habe das im Griff!"
Ja, und dann war der Schritt zu der abends zuhause aufgemachten Flasche Bier vorm Fernseher,
und dann noch eins und noch eins, nicht mehr weit,
oder wenn man noch spät am Schreibtisch Liegengebliebens aufarbeitete, künftige Projekte plante
oder einfach nur im Internet "daddelte".
Später kam Wein hinzu, bzw. ersetzte der das Bier, weil es besser "Bumm im Kopp" machte.
Hier, bei steigendem Konsum begann ich nun, auch durch die Ermahnungen meiner "besseren Hälfte",
das Trinken auf freitags und samstags zu reduzieren, denn werktags galt es fit im Kopf zu sein und
ein Auto hatte man zur Arbeit ja auch hin und her zu bewegen.
Und so langsam wurde das mehr und mehr, und ich begann zu ahnen, dass ich ohne Sprit eigentlich nicht
mehr konnte/wollte.
Ich hatte mir die Wochenenden, bzw. die "Saufzeiten" zeitlich limitiert, soll heißen, erst ab 17:00 Uhr,
nachdem die Wochenendaufgaben an und in Haus und Garten erledigt waren, ging die Flasche auf.
Ja, und so peinlich es mir ist, es wurde über die Zeit immer heftiger.
Pünktlich um 17:00 Uhr (niemals vorher!) gab es lecker Whisky oder Cognac
oder was auch immer gerade --> sorgsam auf geheimen Vorrat beschafft wurde.
Ja, die Heimlichkeit zog ein, und die Mengen pro "privatem Gelage" wurden mehr.
In der Garagenwerkstatt war ja sooo viel zu schrauben, und noch ein Ölwechsel und die neuen Dämpfer,
und und und. Und noch ein Wodka und ein Bier drauf, inzwischen gingen pro Abend eine halbe Flasche Wodka
und 3 oder 4 Bier in' Kopp.
Sonntags dann zum Ausnüchtern clean für die Familie, um montags bis freitags alk-frei
wieder ordentlich zu funktionieren.
"Schön" waren freie Tage oder Urlaub, dann gab's auch mal unter der Woche abends "einen",
aber unter den zunehmenden Gewissensbissen auch viele trockene Tage, obwohl ich hätte trinken können.
Ausfallerscheinungen traten meines Erachtens nicht wesentlich auf, und die konnte ich dann
meiner Frau gegenüber immer "irgendwie" erklären;
Aber nun ja, das Mädel schläft auch nicht auf'm Baum, und so musste ich mich ihr bald offenbaren.
![empathy5 [empathy5]](https://forum-baclofen.com/images/smilies/Aiwan-JC_empathy5.gif)
In gnadenloser Härte und Offenheit (mich betreffend) schilderte ich ihr die ganze Wahrheit, die Umstände,
die Mengen, mein Versteck, die "Saufrituale" und nahm in dieser Zeit dann aber auch die Suche nach Therapiemöglichkeiten auf.
Gleichzeitig setzte ich mich unter absolute Abstinenz, was auch erstaunlicherweise über 8 oder 9 Monate
und gänzlich ohne "Zusammenbrüche" oder sonstige ernstere Entzugserscheinungen ganz gut funktionierte.
Das Händezittern und die Schweißausbrüche ließen schnell nach und konnten bis dahin ganz gut anderweitig
erklärt und/oder kompensiert werden.
Dieser "kalte Entzug" geschah rein aus Willenskraft und ohne medikamentöse Unterstützung.
Die inzwischen erlangten Erkenntnisse über Suchtkliniken zum Entgiften, auch einige Telefonate mit solchen Häusern ("Bootcamps"), selbst den "Besseren", ließen mich jedoch nur eines schlussfolgern:
"SOETWAS DEFINITV NICHT!"
Entweder war man, und das wurde im Vorfeld schon deutlich, eine minderwertige Kreatur,
die drillmäßig und unter Vollaufsicht durch die Aufenthaltstage zu führen war,
oder eine Aufnahme wurde von vornherein abgelehnt, weil ich gesellschaftlich wohl nicht hoch genug stand
und man zudem bezweifelte, dass ich deren Behandlung überhaupt bezahlen könne.
Allerdings wäre gem. Hausprospekt eine vorübergehende Alias-Identität mit eigens gestrickter Vita und Postfach
gegenüber den anderen "Hausgästen" mit drinnen gewesen! Lächerlich!
Schnitt:
Ja, ich wurde älter und fetter, der Blutdruck wurde kardiologisch unterstützt eingestellt, und meine berufliche Tätigkeit entspannte sich auch durch auswärtige Berater-Tätigkeiten und durch Tele-Arbeit".
Eingeschoben sei hier, dass ich mich bei ehrlicher und selbstkritischer Betrachtung -nicht- auf Stress,
Arbeitsbelastung oder sonstwelche nervenden Faktoren berufen kann, auch familiär gab's keinerlei Unbill,
die meine Sucht begründen oder sie fördern könnten! Beruflich lief es absolut rund, ich konnte mir mein Arbeitsumfeld weitestgehend selbst gestalten und ergebnisorientiert erfolgreich führen.
Vielmehr bin ich der Auffassung, dass rein die Langeweile, anfänglich Genuss-, später Gewohnheitstrinken
in die Abhängigkeit geführt haben. Nichts sonst, nur ich allein und meine Gedanken- und Sorglosigkeit
bin/ist für die heutige Situation verantwortlich!
Seit der Beichte bei meiner Frau sind einige diverse Jahre vergangen, die Abstinenz hielt etwa 9 Monate,
bis es eines freitagabends in der Garage wieder "klick" machte.
Alk war eigentlich immer im Hause, auch wenn ich ihn bis dahin nicht weiter beachtet hatte.
Es bedurfte mengenmäßig zunächst nicht viel, dann war es wieder da, das wohlige Rauschen in der Birne,
das Wohlgefühl. Und seit dem Abend bin ich wieder "drauf".
Solange noch berufstätig nur am Wochenende, seit meiner Pensionierung dann meistens an 4 von 7 Wochentagen, mal diesen, mal jenen Abend - aber immernoch streng erst ab 17:00 Uhr bis zum Schlafengehen gegen 21:30 Uhr.
Inzwischen dröhne ich mir an Saufabenden über zwei bis drei Stunden bis zu einer halben Flasche
nicht zu billigen Wodka rein (der riecht nicht aus dem Halse) und spüle das jeweilige Brennen im Rachen
mit einer Flasche Pils runter.
Sodann geht es [mittlerweile unauffällig weil an solche Dosen gewöhnt(!)] zum Abendessen,
und zum anschließenden Fernsehen gibt's dann das "Vorzeige-Bier" oder zwei.
Aber nun ja, ich mache mir nichts vor, meine Frau ist nicht blöd, sie wird sehr gut wissen,
was wieder abgeht, auch wenn sie nichts sagt.
(Wenn ich morgen 8 graue Haare mehr auf dem sonst noch reichlich "bewaldeten" Kopf habe,
wird sie es sofort und absolut sicher merken!)
Fatal ist, dass ich "unter Dampf" an mir unschöne Wesensveränderungen bemerke!
Ich bin sehr schnell unwirsch und unleidlich, gerate viel zu schnell in Rage und neige dann zum Lautwerden.
Und solche lautstarken Auseinandersetzungen über Nichtigkeiten nehmen zu, gottlob bisher nur hier intern.
Allzu oft rege ich mich über irgend einen Sch.... auf, der sonst nicht mal ein Stirnrunzeln wert wäre,
und damit tue ich meiner Holden zu allem sonstigen Übel das größte Unrecht an!
Ich denke mal, hier bricht sich auch mein eigenes Minderwertigkeitsgefühl, bzw. der Ärger und der Zorn
über mich selbst und mein Unvermögen und meine Willensschwäche Bahn.
Nach außen vermeide ich jeglichen Verdacht, indem ich vorher und während irgendwelcher Anlässe oder Kontakte grundsätzlich auf Alk verzichte. (Obwohl in unserem gesellschaftlichen Umfeld das Problem sicher weiter verbreitet ist, als ich selbst annehme)
Freunde, Bekannte, Nachbarn glauben sicher alles Mögliche von mir, aber nicht, dass ich ein "Alki" bin.
Immer wieder nehme ich Anläufe zur Abstinenz, es hat ja schließlich schon einmal funktioniert und immer wieder komme ich damit gerade mal max. eine Woche weit, wenn überhaupt.
Ich habe es sooo satt, die vermeintlich verächtlichen Blicke in immer wechselnden Supermärkten oder Getränkeshops, wenn ich hastig und tatterig meine Wochenration von 2 Flaschen Wodka in die mitgebrachte
Tasche zu stopfen versuche,
wenn ich diese dann in einem vermeintlich sicheren Versteck im Hause deponiere ohne erwischt zu werden,
und wenn ich letztlich unter einem Vorwand das Auto brauche, um mein Leergut später wieder zum
weiter entfernten Flaschencontainer raus zu schmuggeln.
Ja, für all das empfinde ich nur noch Verachtung für mich selbst.
Ja, und so las ich hier über Baclofen und dass dieser Wirkstoff eine Hilfe auf dem Wege zum "Nein sagen"
sein kann. Allein durch's Lesen habe ich schon viel lernen und mein Problem zerlegen und verifizieren können.
Die von den hier unermüdlichen sach- und fachkundigen Schreibern gewonnenen Erkenntnisse über
physisches und psychisches craving, die biochemischen Vorgänge und Zusammenhänge mit und um GABA-A und -B, etc. sind sehr wertvoll und eine große Hilfe auf dem Weg zum hoffentlichen Erfolg.
(Mein persönlicher Trigger ist wohl die werkstatt und die Stunden dort beim Schrauben an Oldies...)
Jetzt kann ich mir auch vorstellen, warum meine Abstinenzversuche spätestens an Tag 5 oder 6 enden...!
An dieser Stelle schon einmal ein herzliches Dankeschön an die führenden Köpfe hier!

Nun, jetzt stehe auch ich vor dem Problem, an Baclofen/Lioresal(r) heran zu kommen.
Mein Hausarzt, ein Internist, den ich noch nicht so lange kenne, ist sehr gewissenhaft und aufrichtig,
ich denke mal nicht, dass er sich auf "off-label-use" einlässt , aber versuchen werde ich es auf jeden Fall mal,
mehr als nein sagen kann er nicht.
Hierzu schreibe ich dann aber später noch was und wende mich dann ggf. per PN an @DonQuixote
mit der Bitte um Unterstützung bei der Suche.
Einstweilen schönen Dank für's Lesen, und ich bin zutiefst begeistert, dass ich
Euch gefunden habe, war ich doch bisher allein mit meinem Problem!
Herzlichst
Scharlie