Ännchens zweiter Versuch

Eigene Erfahrungsberichte zu Baclofen und Alkohol
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Ännchens zweiter Versuch

Beitragvon Ännchen » 13. Januar 2017, 21:56

Liebe Forumsmitglieder,

Ich habe lange nichts von mir hören lassen und grüße ganz herzlich in die Runde.

Mit neuem Mut im neuen Jahr möchte ich wieder mit Baclofen anfangen, nachdem ich im letzten Jahr durch eine stark depressive Episode gegangen bin, u.a. ausgelöst durch eine chaotische und viel zu hohe Dosis Bac (gleich zu Anfang waren es schon 100mg/Tag). Eindeutig hatte der verschreibende Arzt die InitialDosierung für mich viel zu hoch angesetzt. Ich habe verstanden, dass es nur über ein vorsichtiges, gleichmäßiges und umsichtiges Aufdosieren gelingen kann.
Ich fasse für diejenigen, die mich noch nicht kennen, in etwa zusammen, was ich schon vor 12 Monaten geschrieben hatte.
Es war eine Phase, in der ich mich nicht wiedererkannte: gesteigerter Rededrang, Essanfälle ( ich habe auch damit ein Problem), Schlaflosigkeit, Ängste, Streitsucht, ungeahnte Feindseligkeit begleiteten mich ein paar schlimme Wochen, so dass ich beschloss, zügig auf Null herunterzugehen.
Ich habe das Absetzen im Januar glücklicherweise gut weggesteckt, wollte dann ab Februar mit moderaten Anfangsdosen von 5-0-0-5 bis hoch auf 5-5-5-5-5 einen Neubeginn wagen. (Da ich bereits vor 15 Jahren eine mittelschwere Depression überstanden habe, will ich möglichst nicht über die 25mg TD gehen.)

Irgendwie kam es aber nicht dazu- habe mich bis gestern mit meinen üblichen Mengen Alk ( ca. eine Flasche Wein am Abend, bei Feiern auch leicht das Doppelte) und den seit nunmehr 39 Jahren sattsam bekannten Kollateralschäden (Schuldgefühle, depressive Zustände wie Antriebslosigkeit, Gefühle von Sinnlosigkeit, Vergeblichkeit, weitere Gewichtszunahme) herumgeschlagen.
Ein sehr anstrengendes Leben ist das mit Ende fünfzig, zumal mit heranwachsendem wunderbaren, sehr intelligentem Kind, das eine fitte Oma braucht ( ich ziehe mein Enkelkind groß, nachdem meine einzige Tochter vor ein paar Jahren gestorben ist).
Von meinem Künstlerleben und der Existenz als Selbständige mit Mitarbeitern und Kunden will ich gar nicht erst reden.
Es grenzt eher an ein Wunder und spricht für meinen Perfektionismus und meine Belastbarkeit, dass ich immer noch keine ernsten Gesundheitsschäden davon getragen habe.
Ich kann auf vieles Erreichte mit Stolz und Dankbarkeit blicken, denke aber oft, dass ich meine Möglichkeiten bei weitem nicht ausgeschöpft habe, weil mir durch die ständigen unerklärlichen Ängste! und die Sucht schlichtweg der Mut und die Kraft fehlten, mein Leben viel mehr nach meinen eigenen Wünschen zu gestalten.
Es fehlte dazu vor allem das nötige Selbstvertrauen, auf die innere Stimme zu hören, mich selbst auszuhalten und ehrlich mit mir selbst zu sein. Vielleicht hätte ich es dann auch nicht gebraucht, mich ständig zu übernehmen und immer alles nur mit viel Glück irgendwie hinzukriegen..
Mein Hausarzt war beim kürzlich gemachten Check unglaublich zufrieden mit mir, physisch ist bis auf einen BMI von 29 alles sehr stabil. Diese gute Nachricht hat mich sehr beflügelt, meinen starken Wunsch, mit der Sauferei aufzuhören, jetzt Wirklichkeit werden zu lassen.
Am allerallerschlimmsten ist die unausgesetzte Beschäftigung des Verstandes mit dem Stoff, es raubt mir die Energie. Ich will endlich wieder einen klaren Kopf haben, mich auch wieder ein wenig jung und unschuldig fühlen, so wie mit 17, als der Alkohol keine Rolle in meinem Denken und Fühlen spielte.
Denkwürdig ist, dass mir in der letzten Zeit mehrere sehr geschätzte und bewunderte Freunde begegnen, die auch Schluss gemacht haben mit dem Alkohol und nun ganz neue Wege gehen.
Besonders möchte ich mir nicht zuviel auf einmal vornehmen. Mir reicht es, mit der vorsichtigen Eindosierung zu beginnen und zu dokumentieren, wie sich mein Trinkverlangen reduziert. Idealerweise steht am Ende die völlige Freiheit von Alkohol und den dazugehörigen Zwängen.
Ich möchte mich in mein Lieblingcafé setzen, lesen und nur noch von Ferne registrieren, dass am Nachbartisch Weißwein( Lieblingsgesöff) gepichelt wird. Und das ohne mich! Das muss kein Traum bleiben.
Für heute Abend soll es genügen. Ich nehme jetzt um 22.00 die zweite Dosis 5mg.
Gute Nacht an alle,
Ännchen
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Erste Nacht

Beitragvon Ännchen » 14. Januar 2017, 07:55

Guten Morgen,
Mit meiner Dosis 0-0-5-5, eingenommen jeweils um 16.00 und 22.00, bin ich super klar gekommen.
Da ich immer ab 17.00 sehr stark an Alkohol anfange zu denken, hat die Gabe am Nachmittag das Verlangen wirklich komplett ausgeschaltet. Ich habe von 17-18 Uhr sogar noch mein Pilates Training gemacht, bin einkaufen gefahren, (Weinregale lösten keinen Reiz aus!) und habe mir dann zu Hause gemütlich Essen gekocht und mich hier im Forum herumgetrieben.
Mein Enkelkind ist bis So bei ihrem Papa, so dass ich mich an diesem WE nur um mich kümmern muss.
Um 22.00 die zweite Gabe, habe noch 30' gelesen und habe bis 5.00 durchgeschlafen mit bunten Träumen.
Heute Dienst bis 13.00, danach gehe ich in die verschneite Natur und werde den Nachmittag mit einem Schmöker verbringen. Es geht mir gut.
Liebe Grüße,
Ännchen
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2. Tag

Beitragvon Ännchen » 14. Januar 2017, 22:27

Schönen guten Abend zusammen,

Habe mir soeben eine Tabletten App heruntergeladen. Ab Mittwoch gehe ich wahrscheinlich auf 0-5-5-5 mg.
Im Moment bin ich recht müde, habe meinen Spaziergang planmäßig nach einem produktiven, guten Vormittag am Nachmittag gemacht, danach nur bei Fernsehen und Lesen herumgehangen, wollte zwar noch etwas Neues lernen, aber mir fehlte der rechte Antrieb.
Der Zug zum Wein ist heute null spürbar, dafür habe ich heute verstärkte Essgelüste, genau zur Blauen Stunde ab 19.00, wenn ich mir sonst einen Wein entkorke. Finde ich alles nicht gravierend, weil ich mich ruhig und zuversichtlich fühle.
Nun gönne ich mir Schlaf.
Gute Nacht,
Ännchen
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2. Nacht

Beitragvon Ännchen » 15. Januar 2017, 10:26

Guten Morgen an alle,
Habe tief und fest von Mitternacht bis 7.00 geschlafen, habe nachher eine Probe und hoffe, fit genug dafür zu sein.
Ich bleibe fest bei meinem mir selbst gegebenen Dosierschema von 0-0-5-5 und habe hierzu das klare Gefühl, dass ich eventuell sogar mit den 10mg pro Tag auf Dauer hin kommen kann. Trotzdem dosiere ich ab Mi auf 15mg hoch und schaue, was passiert.
Wichtig für meine Befreiung vom Alkohol ist, dass ich den Feierabend ab 17.00 ohne craving einläuten kann. Vor allem habe ich genug von passiven weinseligen Abenden, um dann um 6.30 mit schwerem Kopf und Schuldgefühlen in den Tag zu gehen. Eine ewige Mühle, nur unterbrochen von Abendterminen, die ich nüchtern wahrnehme, und ab und zu gelingt es dann sogar, ohne die Flasche Wein ins Bett zu fallen.
Ich habe mal nachgerechnet:
Ich trinke seit 1977 in diesem "Dosierschema", habe von 365 Tagen im Jahr durchschnittlich 320 Tage Alkohol konsumiert. Das sind bisher unfassbare 12800 Flaschen Wein und Sekt, die ich durch meinen unschuldigen Körper gejagt habe.
Von Genuss kann seit etwas über 20 Jahren keine Rede mehr sein, es ist zudem auch zuviel passiert. Dem Alkohol verdanke ich die schlimmsten, peinlichsten Situationen meines Lebens, und das waren nicht wenige. Vor allem immer wieder depressive Episoden, die sicher auch durch Alkohol ausgelöst wurden. Oder ich trank, um meine depressive Grundstimmung anzuheben..Huhn oder Ei?

Baclofen in der niedrigen Dosierung macht mich auf angenehme Weise etwas wurschtig und ruhiger.
Das Verlangen nach Alkohol ist gerade jetzt am Vormittag gleich null, das will aber nichts heißen, da ich ja immer erst am späten Nachmittag das Trinkkarussell anwerfe.
Ich wünsche allen einen schönen Sonntag,
Ännchen
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Re: Ännchens zweiter Versuch

Beitragvon DonQuixote » 15. Januar 2017, 19:51

Hallo Ännchen

Danke, dass Du Deine Erfahrungen mit uns teilst. Ja, zu einem zweiten Versuch mit Baclofen ist es nie zu spät, und so, wie Du das schilderst, machst Du alles richtig. und achte auf Wirkung und Nebenwirklungen. Zögere auch nicht, selbst wenn sich mal für ein paar Tage ein Erfolg einstellen sollte, immer auch an eine weitere Erhöhung der Dosis zumindest zu denken. Denn Erfolge mit geringen Dosierungen von 10 – 20 mg / Tag gibt es zwar einige, sie sind aber

Damit das alles etwas übersichtlicher wird, habe ich Deine Beiträge der letzten Tage hier in diesem Thread „Ännchens zweiter Versuch“ zusammengefasst. Alle Deine weiteren Berichte kannst Du also hier reinschreiben (auf die Schaltfläche „Antworten“ klicken). Weiterhin viel Erfolg bei Deinem zweiten Versuch wünscht

DonQuixote
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Re: Ännchens zweiter Versuch

Beitragvon miva » 15. Januar 2017, 22:31

liebes Ännchen,
danke, dass ich deinem Erleben folgen darf. Es sagt mir viel.

Alles Gute
Miva

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Re: Ännchens zweiter Versuch

Beitragvon Ännchen » 16. Januar 2017, 07:49

Guten Morgen, Don Quixote und an alle,
Danke für die nette Begrüßung! Das tut mir gut und steigert meinen Elan, meine Erlebnisse und Einschätzungen mit Euch zu teilen.
Danke, Don Quixote! Ich muss Dir recht geben.
Natürlich werde ich nicht so verbohrt sein und auf Gedeih und Verderb versuchen, einen Niedrigdosisrekord aufzustellen.
Ich gehe jetzt planmäßig vor und steigere in den nächsten 4 Wochen auf 5-5-5-5-5 mg. Ich habe durch die extrem negative Erfahrung vor 12 Monaten Angst, wieder in eine Depresssion ( wie geschildert von der ängstlich agitierten Seite) hereinzuschlittern und meine Gehirnchemie aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Bin nach wie vor auch gestern ohne Alkohol in den Schlaf gekommen.
Der Sonntag war harmonisch, ich hatte eine schöne Probe und im Anschluss daran ein sehr gutes und liebevolles Telefon-Gespräch mit einem Mann, zu dem ich nach jahrelangem Tauziehen und Streit im vergangenen Sommer auf Abstand gegangen bin.
Sicher war auch der Alkohol schuld an den vielen Verwerfungen ( es stand immer eine Flasche Sekt bereit!)- aber gestern konnte ich mich ihm ganz ruhig zuwenden und auf ihn eingehen, ohne wütend oder traurig zu werden.
Ohne Alkohol hätte ich schon vor vier Jahren deutlich gemerkt, dass wir besser voneinander lassen sollten.
Zuviele unterschiedliche Erwartungen. Gestern konnte ich danach auflegen mit einer Aufbruchstimmung in mir; es muss erst mal Ruhe einkehren, auch wenn ich einen Mann an meiner Seite vermisse. Es würde mich jetzt überfordern.
Ich weiß ja noch gar nicht, was aus mir ohne den Alkohol wird.
Herzliche liebe Grüße und einen guten Wochenstart wünscht
Ännchen
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Craving

Beitragvon Ännchen » 18. Januar 2017, 08:16

Guten Morgen an alle,
Gestern musste es am späteren Abend doch ein Glas Wein sein, aber ein zweites musste ich dann nicht trinken, immerhin.
Innere Spannungen -wie üblich am Abend- piesackten mich wieder, auch craving genannt, so dass ich heute auf jeden Fall die Dosis auf 0-0-10-10 verdopple.
Insgesamt vertrage ich das Baclofen gut, schlafe vernünftig, bin fit im Kopf und auch die Nachmittagsmüdigkeit, gegen die ich seit langen Jahren ankämpfe, weicht allmählich.
Kein Wunder, denn ich muss nicht morgens um 6.30 Uhr verkatert aufstehen und dann irgendwie funktionieren.
War gestern bei meiner Therapeutin, die noch nichts von meiner Baclofen-Strategie weiß. Ich will meine Entscheidung, mit Baclofen meine Alkoholfreiheit zu erreichen, im Moment nicht verteidigen müssen.
Einen schönen Tag wünscht
Ännchen
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Re: Craving

Beitragvon Kunorhaistes » 18. Januar 2017, 13:29


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2 mal 10 mg

Beitragvon Ännchen » 19. Januar 2017, 09:30

Guten Morgen an alle,

Bin seit gestern Mittwoch auf 0-0-10-10 hoch gegangen und vertrage die Dosis weitgehend gut, bin heute nur etwas niedergeschlagen, weil ich seit über 14 Tagen durch eine starke Erkältung überhaupt nicht fit bin, und eigentlich noch mehr Ruhe und weniger Pflichten haben müsste.
Gestern Abend gegen 21.00 fand ich Wein-und Sektanbrüche im Bürokühlschrank, ich probierte jeweils einen Schluck und habe beide Flaschen anschließend weggeschüttet. Es schmeckte scheußlich.
Dann habe ich mir beim Pizzadienst einen großen Salat bestellt, mir einen sehr berührenden Bericht im TV über den Missbrauch der kath. Kirche in Ettal und Regensburg angeschaut, bei Wasser und Tee.
Ich musste an meine katholisch geprägte Kindheit in den 60er Jahren denken, Gewalt, unangemessene Strafen für Bagatellen und emotionaler Missbrauch bis hin zum Psychoterror waren bei uns daheim an der Tagesordnung, geholfen hat uns fünf Kindern niemand.
Ich bin als 7jährige zu unserem Pfarrer gegangen, um mich anzuvertrauen, er beschied mich sehr kalt und streng mit der Ermahnung, ich wolle doch nicht etwa meine honorigen Eltern an den Pranger stellen? Er verwies auf das Vierte Gebot. Und wer seine Kinder schlägt, tue dieses aus Liebe.
Das Opfer wird zum Täter gemacht, und es gibt ein Schweigekartell. Aus Weiß wird Schwarz gemacht und umgekehrt. Ein geschlossenes System, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Wir Geschwister sind alle mit 17,18 ausgezogen.
Das ist der Stoff, aus dem Suchtkarrieren entstehen. Ich jedenfalls habe mit 18 angefangen, regelmäßig zu trinken, auch alleine, und mein damaliger Partner (20 Jahre älter) sorgte stets für Wein- und Sektnachschub .
Ein Problembewusstsein hatte ich überhaupt nicht.
Das Gemeine am Alkohol ist ja, das er über viele Jahre eine starke Abhängigkeit aufbauen kann, und das ist keine Frage der Dosis und des Trinkzeitpunktes. Man kann auch mit drei Gläsern Wein am Abend bei entsprechender Veranlagung in die Sucht schlittern.
Ich bleibe jetzt bei meiner Dosis bis nächsten Mittwoch und werde dann aufstocken, wenn nötig.
Liebe Grüße und einen schönen sonnigen Wintertag wünscht allen
Ännchen
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Re: Ännchens zweiter Versuch

Beitragvon Bine » 20. Januar 2017, 01:35


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Re: Ännchens zweiter Versuch

Beitragvon Ännchen » 20. Januar 2017, 09:32

Liebe Bine,
Danke für Deine liebe Anteilnahme und Zuspruch.

Jeder von uns hat, glaube ich, seine Lernaufgaben, und daher ist es sicher ganz unmöglich abzuwägen, wer mehr erleiden musste oder weniger in seiner Kindheit.
Ich kenne Leute, die ganz anders als ich ohne Gewalt in ordentlichen, berechenbaren Elternhäusern aufgewachsen sind, aber doch durch alltägliche Lieblosigkeit nicht richtig gedeihen konnten..und es sehr schwer haben mit ihrem Leben.
Vielleicht hatte ich das Glück, schon immer wissbegierig und begeisterungsfähig zu sein, so habe ich mich in meine Bücher, den Zeichenblock, mein Klavier und in die Natur, draußen mit meinen Freunden, gerettet.
Das alles hat mich als Kind ein bisschen abgeschirmt. Eine Schwester von mir hat es anders weggesteckt, ist durch alles Mögliche (Zwangsstörungen etc.) bis heute gehandicapt.
Wenn ich jetzt als Frau von Ende fünfzig meine alten, schwer angeschlagenen Eltern sehe, die beide auf ganz unterschiedliche Weise ihr Leben vor die Wand gefahren haben, erkennt man, was sie für ein Riesengepäck mitschleppen. Sie haben ihr Bestes gegeben, mehr ging eben nicht.
Trotzdem pflege ich meine Wut auf alles Erlebte sorgsam, das brauche ich schon allein für meine Selbstachtung, und es hält mich wach. Lebensmut mit Lebenswut!
Es hat lange gedauert und mich viele Therapiestunden gekostet, dass ich einigermaßen zurechtkomme mit meinem komplizierten Innenleben.

Tolstoi hat den Satz geprägt:
"Alle glücklichen Familien ähneln einander, aber jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Art unglücklich."

Damit kann ich viel anfangen. Übersetzt heißt das für mich, dass ein gutes Zusammenleben ganz bestimmten Regeln folgt, man umgekehrt in unglücklichen Familien sehr viel, wenn nicht alles falsch machen kann.

Es stimmt: Unter Baclofen und ohne Alkohol kommen Erlebnisse aus den hintersten Gehirnwinkeln an die Oberfläche.
Ich bin sehr froh, hier im Forum zu sein, meine Erfahrungen hier zu teilen.

Liebe Grüße an Dich, liebe Bine und allen einen sonnigen Tag,
Ännchen
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Zwischenstand nach einer Woche

Beitragvon Ännchen » 20. Januar 2017, 22:01

Hallo zusammen,

Heute Freitag ist die erste Woche mit Baclofen, seit Mittwoch auf 20mg hochdosiert, glücklich vorbei.
Die Trinkmenge hat sich von einer Flasche pro Tag auf eine Flasche pro Woche reduziert!

Gestern gab es eine offizielle Verpflichtung mit Ansprache etc. smalltalk, die ich überstehen musste.
Immerhin konnte ich vor meinem Aufmarsch bei Wasser auf mein Stichwort warten, ohne ständig an Alk zu denken.
Im Anschluss wurde wie immer reichlich eingeschenkt- es wurden dann doch 0,5 ltr. Wein.
Heute früh hatte ich trotzdem keinen Kater, wahrscheinlich weil ich insgesamt viel weniger trinke.

Baclofen ist aber generell zu gering dosiert, das muss ich feststellen. Auch heute zog es mich kurzzeitig gedanklich sehr stark zum Stimmungsmacher Alkohol. Möglicher Grund:
Mein Tag heute verlief durch äußere Einflüsse von A-Z gänzlich anders als geplant, das erzeugt bei mir oft Stress und Frust.
Nun sitze ich hier bei Tee und versuche, mich abzulenken und mich im Netz rumzutreiben. Durch die 20.00 Einnahme verschwand der starke Drang etwa nach 20'.
Daher setze ich die Dosis in 3 Tagen auf 25mg hoch.

Die Balance zwischen gutem Stress und Überlastung ist bei mir sehr wichtig. Auch muss ich lernen, immer wieder Wohlfühlpausen einzulegen. Überhaupt bin ich ewig nicht mehr in der Sauna gewesen, habe ich ewig keine Wanderungen mehr unternommen, die ich früher so geliebt habe und viele Interessen mehr sind sehr heruntergefahren.
Der Alkohol wurde eben immer wichtiger.
Für heute mach ich Schluss und sage gute Nacht.
Ännchen
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Lange Leine

Beitragvon Ännchen » 20. Februar 2017, 10:57

Guten Morgen an alle,
Seit einem Monat habe ich nichts von mir hören lassen, und der Kampf ist noch lange nicht vorbei.
Akzeptieren, alkoholabhängig zu sein, ist bei mir noch nicht ganz nach innen gerutscht.
Habe es nach 10 guten Tagen mit kaum Alkohol ohne weitere Aufdosierung bei 20mg weiter probiert, von meinem flüssigen Stimmungsliebling zu lassen, aber es funktionierte definitiv nicht.
Da Alkoholkonsum die Baclofenwirkung abschwächt, ist das Ergebnis jetzt aktuell 0,0.
Ein Schritt vor, zwei zurück, will es mir scheinen.
Das bedeutet: Ich bin wieder fast bei einer Flasche Wein pro Abend gelandet.
Ein, zwei Tage pro Woche gehen auch ohne Alkohol herum, aber dafür esse ich dann viel Süßkram etc.
Alles wie gehabt.
Ab heute wird also bei mir aufdosiert und ein gleichmäßigerer Spiegel erzeugt.
12.00-16.00-20.00 jeweils 10mg. Nächste Woche geht es hoch auf 4 mal 10mg.
Ich wollte mit ganz wenig Baclofen auskommen, sozusagen eine Sonderweg für mich gehen.
Baclofen ist kein Bedarfsmedikament, sondern soll langfristig das Suchtverlangen herunterdimmen, idealerweise meine ewige Getriebenheit, gedankliche Beschäftigung mit dem Stoff zum Stillstand bringen.
Möchte den Mut jetzt nicht sinken lassen.
Depressive Veranlagung und Alkoholkonsum sind zwei Seiten einer Medaille.
Ich grüße alle Mitlesenden sehr herzlich und wünsche eine gute Woche,
Ännchen
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Re: Ännchens zweiter Versuch

Beitragvon Sari » 20. Februar 2017, 23:23

Hallo Ännchen,

ich habe sehr interessiert deine Beiträge gelesen. Mir geht es sehr ähnlich. Leider ist mein größter Feind auch der verdammte Wein und das Trinkverhalten ist sehr ähnlich. Meine übliche Dosis war bzw. ist auch eine Flasche Wein, manchmal etwas mehr. Früher täglich, jetzt ganz unterschiedlich, mal 2 Wochen gar nichts, dann 4x pro Woche, man 1x pro Woche...Aber ich schaffe es einfach nicht, länger als 2 Wochen die Finger von dem Zeug zu lassen. Zu dem viel zu vielen Alkohol kommen dann auch oft regelrechte Essattacken, entweder anstatt als Ersatzbefriedigung oder gar noch zusätzlich :heulen: . Nie habe ich Schnaps oder Ähnliches angerührt, aber wie du sagst, man kann auch mit 3 Gläsern Wein pro Tag in die Sucht abgleiten....am Schlimmsten ist bei mir auch immer die Zeit zwischen 17 und 20 Uhr. Grauenvoll, wenn man dann morgens (oder noch schlimmer: in den frühen Morgenstunden...) aufwacht und sich beschissen fühlt, körperlich und geistig...

Ich habe vor Kurzem zum ersten Mal mit Baclofen angefangen und habe bisher noch kaum eine Wirkung gemerkt (bin bei 25 mg am Tag), aber ich denke wir müssen einen langen Atem und viel Geduld haben! Dein neuer Plan klingt doch gut. Vielleicht kannst Du ja zu einem späteren Zeitpunkt doch wieder ein wenig die Dosis reduzieren und selbst wenn nicht, was soll's. Wenn es hilft und die Nebenwirkungen nicht gravierend sind, ist es das denke ich allemal wert. Gehe es nur schön langsam an und dosiere nicht zu schnell hoch. Und immerhin sind 10 Tage Abstinenz doch auch schon mal eine sehr gute Leistung! Die reinste Wohltat für die Leber.

Viel Erfolg und halte uns auf dem Laufenden [smile]

Viele Grüße,
Sari

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Re: Ännchens zweiter Versuch

Beitragvon Ännchen » 1. März 2017, 09:21

Hallo Sari,
Danke für Deine nette Antwort.
Ich hoffe, dass die NW bei Dir sich reduziert haben. Atemdepression ist schon etwas beunruhigend.
Bei mir schwankt es in der Motivation- manchmal denke ich, dass ich doch ohne Medikation schaffen kann..
aber das ist leider ein frommer Wunsch, denn es gibt im Gehirn eine tief eingegrabene Suchtspur.
Kein Wunder, wenn ich immer abends zur sog. Entspannung seit Jahrzehnten Wein konsumiere.
Jetzt dosier ich weiter auf 40 mg und hoffe, damit noch mehr die Cravingzeit von 16-21.00 Uhr zu überbrücken.
Manchmal denke ich, wieviel verlorene Jahre ich mit meinem Intimfeind, dem Alkohol nun schon zugebracht habe.
Heute ist die Stimmung sehr mau..Gestern wieder eine Flasche Wein.
Immer am Abend kommt es über mich, und ein dunkles Sehnen treibt mich zum Supermarkt; ich hole dann genau eine Flasche Wein.
Ich berichte weiter und wünsche auch Dir, liebe Sari, dass Du die Geduld aufbringst, auf ein alkoholfreies Leben hinzusteuern.
Das ist jedenfalls mein Ziel.
Allen einen schönen Tag,
Ännchen
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Mein Weg mit Baclofen

Beitragvon Ännchen » 1. März 2018, 08:51

Guten Morgen an alle,

Ich lebe endlich ohne Alkohol und bin zufrieden damit. Meine Erhaltungsdosis ist lächerlich niedrig.
Zurzeit liege ich bei 0-0-12,5-12,5 mg Baclofen.
Da mein Suchtdruck immer ab 17-18 Uhr auftrat, ich dann "kontrolliert" ab 19.00 meine Flasche Weißwein zur Belohnung konsumiert habe, brauche ich morgens und mittags keine Dosis.
Höhere Dosen bis zu 50mg über den Tag verteilt haben bei mir leider Depression und Tachykardien ausgelöst.
Da ich ein Sensibelchen bin, bin ich fast darüber verzweifelt und habe immer wieder mit Baclofen aufgehört. Erneuter Alkohol-Konsum beherrschte danach wieder mein Leben.
Für alle Fälle habe ich immer Bac dabei. Sollte es ein Craving geben durch einen Trigger ( Einladung bei alten Freunden, zu denen immer gebechert wurde, bestimmte Orte (Weinland Italien!) etc.), ziehe ich mich 10' auf die Toilette zurück, nehme 20mg und pudere mir die Nase.
Melde mich heute nach längerer Schweigepause im Forum zurück.
Nach langem Suchen habe ich nun endlich meine Baclofen-Ärztin gefunden, die mich auch telefonisch coacht oder per email mit mir kommunizieren kann.
Ich muss also nicht ständig zu ihr pilgern.
Sie hat mir sehr eindringlich und anschaulich erklärt, warum meine Gehirnchemie durch den jahrzehntelangen Alkoholkonsum derart verändert ist, dass es keine Wahlfreiheit gibt. Das "Suffhirn" ist mächtig. Baclofen hilft, die Millisekunden-automatik zu unterbrechen, mit der man wieder wie ferngesteuert zum Glas zu greift, zur Tankstelle fährt, etc.-
Immer wieder fassungslos über den Kontrollverlust und voller Schamgefühle am nächsten Morgen aufzuwachen.. das ist das Schlimmste. Es raubt unendlich viel seelische Energie.
Vor allem: Ich bin nicht schuld.
Alkohol korrumpiert das Belohnungssystem, und aufgrund meiner Biographie kann ich sogar froh sein, dass durch die Sucht nichts Schlimmeres passiert ist.. vor allem hätte ich vieles überhaupt nicht ausgehalten.
Bei genauem Hinsehen habe ich Alkohol noch nie vertragen. Ich trinke missbräuchlich seit dem 18. Lebensjahr, also seit über 40 Jahren.
Unterm Strich beschäftige ich mich seit über 5 Jahren bereits mit Baclofen.
Meinen Weg zur Abstinenz musste ich erst finden, und jeder/jede Einzelne muss seine Dosis finden, mit der er zurecht kommt.
Ich halte Euch auf dem laufenden.
Liebe Grüße und einen sonnigen Tag,
Ännchen
"Nur wer sich ändert, bleibt sich treu." (Wolf Biermann)

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Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN
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Re: Mein Weg mit Baclofen

Beitragvon Lucidare » 1. März 2018, 13:52

Wer aus meinen Texten nicht herauslesen kann, dass ich aus persönlicher Erfahrung schreibe, wird mich sowieso missverstehen.


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