Hallo, ich bin Ixchell

Es wird eigentlich erwartet, dass sich Mitglieder vorstellen und ihre Lebensumstände schildern, damit die anderen in Etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben und ihm dann auch besser helfen können.
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Ixchell
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Hallo, ich bin Ixchell

Beitragvon Ixchell » 3. Juli 2017, 10:56

Hallo Zusammen!

Schon seit vielen Jahren trinke ich regelmäßig abends trockenen Weißwein. Meistens ist es eine Flasche (0,7), am Wochenende wird es auch mal mehr. Bisher habe ich es hinbekommen einmal im Jahr für 4 Wochen komplett auf Aklohol zu verzichten und auch 2-3 Tage in der Woche alkoholfrei zu leben. [blus]

In diesem Jahr klappt dies gar nicht. Weder habe ich die 4 Wochen durchgehalten, noch die Tage unter der Woche. Auch habe ich den Eindruck, dass es mehr wird. Ich schäme mich ziemlich dafür [sorry] und und ärgere mich auch schrecklich über mich selbst. [ireful] Auch wenn ich mich mit dem Wein gut fühle - am nächsen morgen nagt ein schlechtes Gewissen... [meise]

Es war ein hartes Jahr mit schlimmen Erkrankungen in nächster Nähe und der Wein ist abends mein "Medikament" um abschalten zu können. Meine Arbeit bekomme ich - gottseidank - noch prima hin, auch weil ich versuche früh ins Bett zu gehen, aber ich schlafe total schlecht und wache gegen 4 Uhr auf und wälze mich hin und her.

Was vielleicht auch wichtig ist zu erwähnen: Ich habe bereits viele Jahre eine Verhaltenstherapie gemacht und auch eine psychisomatische Reha wegen Depressionen. Die habe ich - glaube ich - gut im Griff.

Nun habe ich die Dokumentation von Scobel auf 3Sat gesehen und bin daher auf Baclofen gekommen. Es interessiert mich sehr und ich würde es sehr gerne ausprobieren. Da ich allerdings selbst im medizinischen Bereich arbeite, und daher auch weiß wie mit dem Thema "Alkohol" in den Akten umgegangen wird, scheue ich mich darüber offen mit meinem Arzt zu reden und den Wirkstoff über Rezept zu bekommen. Da es in anderen Ländern ja offenbar rezeptfrei ist, würde ich sehr gerne wissen, ob es da eine Möglichkeit per internet gibt. Da wäre ich über einen Hinweis froh!

Wie geht ihr mit der Offenheit gegenüber den Ärzten um?

Vielen Dank schon jetzt für´s Lesen meiner unstrukturierten Gedanken und Fragen!

Herzliche Grüße
Ixchell

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Papfl
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Re: Hallo, ich bin Ixchell

Beitragvon Papfl » 3. Juli 2017, 13:17

Hallo Ixchell!

Herzlich willkommen im Forum [hi_bye] . Schön, dass Du da bist [smile] .

Zunächst mal ist es wichtig, dass Du weißt, dass Dein anhaltendes Trinken nichts mit Willensschwäche oder fehlender Disziplin etc. zu tun hat. Schuld daran ist das sog. Craving. Unser Beitrag über Craving erklärt einiges und kann auch so manches Schuld-, Scham- und Versagensgefühl nehmen bzw. relativieren.

"Sucht" hat zwei Komponenten. Und das wird in der traditionellen Suchttherapie oft "vergessen":

  • Den "Trinkzwang" (physisches Craving), gegen den Betroffene nichts tun können, weil es sich dabei um biochemische Vorgänge handelt, die durch eigenes Zutun nicht beeinflussbar sind und
  • den "Trinkdrang" (psychisches Craving), oft ausgelöst aus Mangel an Alternativen zum Alkohol, um bestimmte Gemütszustände zu erreichen (Belohnung, Entspannung, "Kick", Hochgefühl, Hemmungs- oder Angstlosigkeit etc.). Hier können Betroffene selbst aktiv werden, indem sie sich beispielsweise andere Strategien suchen, um sich zu belohnen, sich zu entspannen, Ängste abzubauen etc.
    --> verhaltenstherapeutische Ansätze.
Bei ersterem (physisches Craving) kann Baclofen helfen: Durch den jahrelangen Alkoholkonsum ist die Biochemie aus dem Gleichgewicht geraten. Das "Hirn" hat bezüglich des Suchtmittels in gewisser Weise ein Eigenleben entwickelt, das man willentlich nicht mehr beeinflussen kannst. Ständig wiederkehrendes Gedankenkreisen um Alkohol ist die Folge, bis man sich irgendwann auf gar nichts anderes mehr konzentrieren kann und letztlich trinken MUSS.

Dagegen kann man einen Tag, eine Woche, vielleicht auch Monat(e) ankämpfen, aber irgendwann holt einen der "alte Freund" doch wieder ein. Ganz abgesehen davon, dass so ein ständiger Kampf um die Abstinenz auch nicht gerade das ist, was man sich unter angenehmem Leben für gemeinhin so vorstellt.

Durch die entspannende, hemmende Wirkung von Baclofen kann im Idealfall das physische Craving eingedämmt werden, d. h. man muss nicht mehr ständig an Alkohol denken und gewinnt ein Stück weit seine Entscheidungsfreiheit zurück:

Aus dem Trinkzwang "Ich MUSS jetzt unbedingt etwas trinken, koste es was es wolle" wird ein "Ich KÖNNTE jetzt etwas trinken, kann's aber auch lassen oder auf später verschieben."

Baclofen "schlägt einem also das Glas nicht aus der Hand", aber es hilft dabei, wieder eigene Entscheidungen zu treffen und nicht mehr "fremdbestimmt" zu sein. Das ist ein wichtiger erster Baustein auf dem Weg aus der Abhängigkeit. Wenn das Denken nicht mehr ständig vom Suchtmittel bestimmt ist, wird der Kopf frei, um Maßnahmen gegen die andere Komponente des Cravings - den "Trinkdrang" (psychisches Craving) zu entwickeln.

Die Idee, die hinter der Baclofen-Therapie steht, ist also

a) über die "Beruhigung" der GABA-B-Rezeptoren langfristig einen ausgeglichenen, entspannten, relaxten Zustand herzustellen, damit extreme Stress-Situationen, Spannungen, Ängste und Verstimmungen etc., die einen zur Flasche greifen lassen, gar nicht erst aufkommen und

b) das körperliche Verlangen nach Alkohol (physisches Craving) einzudämmen, um die zwanghafte Komponente des abhängigen Trinkens ein Stück weit auszuschalten.

Erfahrungsgemäß ist es - zumindest in der Anfangsphase - daher wichtig, möglichst einen gleichmäßigen Baclofenspiegel über den Tag verteilt aufzubauen (z. B. mit drei bis vier Einnahmezeitpunkten im Abstand von +/- 4 Stunden) und das Medikament dabei langsam in kleinen Schritten aufzudosieren. Wie man dabei am besten vorgeht, steht im Leitfaden für die Anwendung bzw. in den auf die jeweilige Tablettenstärke zugeschnittenen Dosierungstabellen hier im Forum, die sich als gute Orientierungshilfen erwiesen haben.

Einen ersten Überblick rund um das Medikament bietet unsere Rubrik Baclofen erste Schritte, konkreter im Baclofen-Arztkoffer und Alles Wichtige auf einen Blick.

Lesenswert und aufschlussreich ist auch der Artikel "Ist Alkoholsucht doch heilbar?", den man auch online im PTA-Forum finden kann. Und natürlich das Buch "Das Ende meiner Sucht" von Olivier Ameisen. Der Kardiologe Olivier Ameisen war selbst betroffen und hat Baclofen als Therapieoption bei Abhängigkeitserkrankungen (wieder)entdeckt. Das Buch ist spannend zu lesen! Du kannst die E-Book-Version des Buches auch kostenlos über dieses Forum "ausleihen". Bei Interesse schreibe das bitte einfach in die Private Nachricht (PN) an @DonQuixote mit rein, wenn Du ihn um eine Arztadresse bittest.

Vom Baclofen-Bezug aus dem Ausland über einschlägige Internetapotheken halte ich nicht viel. Erstens wird das Medikament dort stark überteuert angeboten und zweitens ist nicht immer garantiert, dass man wirklich auch das bekommt, was man bestellt und dass man es überhaupt bekommt. Lieferengpässe kommen leider immer wieder vor, und da Baclofen nicht abrupt abgesetzt werden sollte, kann das zum Problem werden. Die Ärzte aus unserer Liste sind allesamt baclofenerfahren und kennen sich mit abhängigen Patienten aus. Mit den oft "üblichen" Vorurteilen Suchtkranken gegenüber ist dort also nicht zu rechnen. Und natürlich stehen alle unter Schweigepflicht. Ich denke, das wäre auf jeden Fall die bessere Lösung.

Da wir unsere Arztadressen aus naheliegenden Gründen nicht öffentlich rausgeben, möchte ich Dich bitten, @DonQuixote (er verwaltet unsere Arztadressen) kurz mit einer Privaten Nachricht (PN) anzuschreiben und ihm Deinen Wohnort samt Postleitzahl mitzuteilen. Er wird sich dann voraussichtlich gegen Abend bei Dir mit allen Infos melden.

Alles Gute einstweilen!

Papfl
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Re: Hallo, ich bin Ixchell

Beitragvon Ixchell » 3. Juli 2017, 15:25

Hallo papfl, hallo liebes Forum,

besten Dank für das nette Willkommen und die vielen, richtig guten Informationen. Ich bin dabei mich einzulesen... :kst

Mir ist wohl noch nicht so ganz innerlich klar (oder ich will es nicht wahrhaben..?), dass ich neben einer psychischen Abbhängigkeit auch bereits körperlich abbhängig bin. (kein Zittern, Schwitzen oder sonstige körperlichen Symptome von denen man immer liest) Noch gebe ich mir und meinem "Willen" die Schuld am Trinken.

Deinen Tipp mit der Arztsuche habe ich umgesetzt und eine PN geschrieben. Wobei es wohl richtig ist, dass Ärzte Schweigepflicht haben, mir geht es auch eher um die Einträge in der Akte der Krankenkasse, die ja die Medikamente und Behandlungen (Psychotherapie bspw.) bezahlen. WIe gesagt ich bin selbst in der Medizin tätig und weiß, wie lässig da mit Daten umgegangen wird. Auch mag ich nicht in dieser Schublade "Alkoholikerin" stecken. ---> Scham! [blus]
Meine Therapeutin weiß um meine Problematik, aber sie "eiert" in ihren Berichten immer um diesen Begriff "Alkoholsucht") heraum, weil sie sagt, dass die Kasse dann Abstinenz verlangt (inkl. Test usw.) bevor sie weitere Therapie bezahlt. Habt ihr hier nicht diese Erfahrungen gemacht?

Eine PN mit der Bitte um Arztempfehlungen in meinem Gebiet habe ich geschrieben. Das mit dem ebook ist ein tolles Angebot, darauf komme ich sehr gerne zurück!

Herzliche Grüße
Ixchell

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Re: Hallo, ich bin Ixchell

Beitragvon Chinaski » 3. Juli 2017, 15:40

Hallo Ixchel,

Herzlich willkommen im Forum.

@Papfl hat dich ja schon mit den wichtigsten Informationen versorgt.
Da kannst du dich erstmal einlesen.

Ixchel hat geschrieben :scheue ich mich darüber offen mit meinem Arzt zu reden und den Wirkstoff über Rezept zu bekommen.


Wenn du im medizinischen Bereich arbeitet dann weißt du ja das die ärztliche Schweigepflicht auch für Menschen gültig ist die im medizinischen Bereich arbeiten.

Aber ich kann deine scheu verstehen dich zu offenbaren aber der Arzt kennt das und geht in der Regel professionell damit um.
Ich denke deine Angst ist unbegründet.
Die Ärzte auf unserer Ärtzeliste sind alle einer Baclofen Therapie aufgeschlossen.

Schreib DonQuixote ein PN und lass die bitte Finger von irgendwelchen Internet Bestellungen.

Alles gute...
Chinaski

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Re: Hallo, ich bin Ixchell

Beitragvon Papfl » 3. Juli 2017, 16:40

Hallo nochmal Ixchell!

Da Baclofen in Deutschland (noch) nicht offiziell für die Behandlung der Alkoholabhängigkeit zugelassen ist, wird Dir das Medikament ohnehin höchstwahrscheinlich "off-label" auf einem Privatrezept verschrieben. Auch die Konsultation wird entweder als normale Quartalsgeschichte oder privat abgerechnet werden. Insofern landet da nichts in Deiner Krankenakte resp. bei der Krankenkasse, wenn Du das nicht möchtest. @praxx hat im Nachbarforum dazu mal geschrieben:

praxx hat geschrieben:Eine Behandlung mit Baclofen bei Alkoholismus ist IMMER eine "Privatbehandlung"!
Die Verordnung von Baclofen in höheren als der erlaubten Dosierung (75mg pro Tag) oder in der Indikation "Alkoholismus" ist auf Kasse nicht erlaubt - und damit auch alle damit zusammenhängenden Leistungen.
Die Kassen zahlen für die Behandlung eines Patienten beim Vertragarzt ca 35 € pro Kopf und Quartal - also etwa 0.40€ pro Tag - das reicht schon für die "normalen" Patienten nicht, erst recht nicht für den Gesamtaufwand einer Baclofenbehandlung. Gleiches gilt für notwendige Blutuntersuchungen, dafür gibt es eine Pauschale, wenn die nicht reicht, wird das Honorar des Arztes dafür beansprucht.
Aber auch als Selbstzahler ist eine Baclofenbehandlung allemal preiswerter als der Alkoholkonsum.
Ich denke, 50€ im Monat sind zumutbar und gerechtfertigt!

Papfl

P.S. Der Patentschutz für Baclofen ist längst ausgelaufen. Das Medikament gibt es daher relativ günstig als Generikum von verschiedenen Anbietern.
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Re: Hallo, ich bin Ixchell

Beitragvon Ixchell » 3. Juli 2017, 18:21

Papfl hat geschrieben:Da Baclofen in Deutschland (noch) nicht offiziell für die Behandlung der Alkoholabhängigkeit zugelassen ist, wird Dir das Medikament ohnehin höchstwahrscheinlich "off-label" auf einem Privatrezept verschrieben. Auch die Konsultation wird entweder als normale Quartalsgeschichte oder privat abgerechnet werden. Insofern landet da nichts in Deiner Krankenakte resp. bei der Krankenkasse, wenn Du das nicht möchtest.


Mir fällt gerade ein Stein vom Herzen! [dance]


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