Melly stellt sich vor

Hier erhalten Angehörige von Alkoholabhängigen Rat und Hilfe sowie auch Arztvorschläge. Und sie können dort lesen, wie andere mit dem Problem umgehen.
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melly
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Melly stellt sich vor

Beitragvon melly » 25. September 2016, 11:00

Hallo zusammen,
ich bin schon seit längerer Zeit ab und zu mal als Leser im Forum. Habe mich auch bereits vor längerer Zeit hier angemeldet. Ich bin "nur" unmittelbar betroffen. Mein Mann ist seit vielen Jahren alkoholabhängig mit einer Trinkpause von ca. 8 Jahren. Seit 4 Jahren ist er rückfällig geworden und er schafft es nicht mehr davon weg zu kommen. Wir haben schon alle Leidenswege hinter uns. Klinikaufenthalte, Selbstentzüge, Totalabstürze usw. Mein Mann ist 56 Jahre, ich bin 52 Jahre und wir sind seit 33 Jahren verheiratet und haben zwei erwachsene Kinder, die natürlich ebenfalls immer darunter gelitten haben. Ich habe bisher immer versucht, trotz aller von außen kommenden bekannten Meinungen über Alkoholsucht, zu meinem Mann zu halten. Das war sehr oft sehr schwierig. Ich merke aber, dass mein Mann nicht mehr die Kraft hat, trotz meiner Unterstützung, von alleine wieder vom Trinken weg zu kommen. Er ist nervlich ziemlich am Ende. An mir geht das natürlich auch nicht spurlos vorbei. Er ist auch mittlerweile bereit sich auf Baclofen "einzulassen", trotz Abraten vom Hausarzt. Wir haben beide das Buch "Das Ende meiner Sucht" gelesen und Hoffnung geschöpft. Da es mein Mann nicht so mit dem Computer hat, habe ich mich hier angemeldet. Es betrifft mich ja ebenso. Wir würden natürlich diese Ärzteliste brauchen, da ja der Hausarzt Baclofen nicht verschreibt. Ich bitte um Hilfe.

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Papfl
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Re: Melly stellt sich vor

Beitragvon Papfl » 25. September 2016, 12:10

Hallo melly!

Herzlich willkommen im Forum [hi_bye] ! Schön, dass Ihr da seid [smile] .

Erstmal ein Riesenkompliment, dass Du Deinem Mann helfen möchtest :-!? . Die Mär, dass alkoholabhängige Menschen von ihrer Umwelt erst ganz fallen gelassen werden müssen, damit sie alleine wieder aus ihrer "Sucht" herausfinden, hält sich leider hartnäckig - ist aber Quatsch. Bei jeder anderen Krankheit "predigt" man immer wieder, wie wichtig die Unterstützung durch Familie und Freunde bei der Genesung sein kann, nur die "Süchtigen" sollen es bitteschön alleine schaffen.

Trotzdem können Betroffene ihre Abhängigkeit natürlich nur mit einem guten Stück Eigeninitiative und "Arbeit an sich selbst" überwinden. Du kannst Deinen Mann bei seinem Weg aus der Abhängigkeit begleiten und unterstützen, aber gehen muss er ihn alleine [pardon] . Gleichzeitig solltest Du natürlich auch auf Dich Acht geben. Das Zusammenleben mit einem abhängigen Menschen erfordert viel Kraft und die Fähigkeit, Grenzen zu setzen.

Baclofen kann diese Drehtür-Tortur zwischen Entgiftung, Entwöhnung, Therapie, ein paar Tagen/Wochen Abstinenz und dann alles wieder von vorn...in der Tat beenden. Warum und wodurch das möglich wird, ist hier und hier erklärt.

Leider vergessen Ärzte und Therapeuten allzu oft die Biochemie, die sich bei abhängigen Menschen über die Jahre verändert hat und die sich als scheinbar unüberwindbare "Hürde" beim Kampf um die Abstinenz entpuppt. Oder sie wissen es einfach nicht [unknown] , weil sie in punkto Sucht auf dem Stand ihrer Approbation stehen geblieben sind und die neuen Entwicklungen im Bereich Hirnchemie, Stoffwechsel, Neurobiologie etc. seit der Jahrtausendwende nicht mehr verfolgt haben.

Baclofen ist natürlich keine Wunderpille, die man schluckt und alles wird von alleine gut. Das Medikament kann aber die ständigen Gedanken an Alkohol und das unbändige Verlangen, das über kurz oder lang dazu führt, dass Betroffene wieder zur Flasche greifen MÜSSEN, eindämmen.

Wie viel trinkt denn Dein Mann im Moment? Diese Frage ist wichtig, um zu eruieren, ob ein Einstieg in die Baclofen-Therapie nach der Methode "So viel Alkohol wie nötig, so wenig wie möglich" realistisch ist. Das würde bedeuten, dass er Baclofen langsam in Anlehnung an den Leitfaden für die Anwendung bzw. die Dosierungstabellen hier im Forum einschleicht und parallel dazu versucht, den Alkohol zu reduzieren (jeden Tag ein bisschen weniger). Oder ob es nicht besser wäre - wenn viel Alkohol im Spiel ist - vorher nochmal professionell zu entgiften.

Vielleicht noch kurz ein paar Zeilen zum Buch von Olivier Ameisen:

Olivier Ameisen war mit seinem Selbstexperiment quasi sein eigenes "Versuchskaninchen". Sein Erfahrungsbericht erschien 2005 (!!!) in der renommierten Fachzeitschrift Alcohol And Alcoholism, und manche Vorgehensweise, die Olivier Ameisen als Patient Nummer eins in seinem Buch noch "ausprobierte", gilt heute - über zehn Jahre später - als überholt. In der letzten Dekade hatten zahlreiche Wissenschaftler die Gelegenheit, anhand Tausender Patienten zu erforschen, wie Baclofen bei einer Mehrheit am besten funktioniert. Alle, die heute mit Baclofen beginnen, haben das große Glück, auf diesen Erfahrungsschatz und die daraus resultierenden bewährten Schemata der Baclofen-Therapie zurück greifen zu können (Leitfaden für die Anwendung). Sie müssen also keine "Versuchskaninchen" mehr sein [smile] .

Man ist geneigt - nachdem man Olivier Ameisens Buch gelesen hat - nach dem Switch-Erlebnis zu suchen, das Ameisen bei 270 mg/Tag beschreibt. Aus meiner Erfahrung heraus kann ich Dir sagen, dass nur ganz wenige (mir fällt im Moment nur ein Patient ein) ebenfalls von so einem "Switch" berichten. Für die meisten hat sich die Standardvorgehensweise nach Leitfaden eher bewährt. Ich schreibe das nur, falls Du vorhaben solltest, jetzt möglichst schnell auf die 270 mg/Tag hoch zu dosieren, um Ameisen "nachzueifern" [wacko] . Bitte nicht [nea] .

Einen ersten Überblick rund um das Medikament bietet unsere Rubrik Baclofen erste Schritte, konkreter im Baclofen-Arztkoffer und Alles Wichtige auf einen Blick. Genaueres zur Dosierung und Therapie findest Du im Leitfaden für die Anwendung oder in den auf die jeweilige Tablettenstärke zugeschnittenen Dosierungstabellen hier im Forum.

Lesenswert und aufschlussreich ist auch der Artikel "Ist Alkoholsucht doch heilbar?", den man auch online im PTA-Forum finden kann.

Da wir die Arztadressen aus naheliegenden Gründen nicht öffentlich rausgeben, möchte ich Dich bitten, @DonQuixote (er verwaltet unsere Arztadressen) kurz mit einer Privaten Nachricht (PN) anzuschreiben und ihm Deinen Wohnort samt Postleitzahl mitzuteilen. Er ist im Moment ein bisschen im Stress (wir sind ja hier alle auch noch berufstätig :wink: ), wird sich aber zeitnah bei Dir mit allen Infos melden. Ich denke mal, @DonQuixote kriegt das im Laufe des Wochenendes hin [smile] .

Einen guten Start wünscht

Papfl
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Albert Ein­stein (1879 - 1955)

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Re: Melly stellt sich vor

Beitragvon melly » 25. September 2016, 14:25

Hallo Papfl,

vielen lieben Dank für die schnelle Antwort und die vielen Informationen. Mein Mann ist ein typischer Pegeltrinker. Wenn er frei hat bzw. am Wochenende trinkt er mittlerweile wieder von früh bis abends ca. 10 bis 12 Bier. Wenn er arbeitet hat er das auf mein Drängen (er ist Berufskraftfahrer) auf 4 bis 5 Bier abends reduziert, was ich natürlich auch für bedenklich halte.
Ich hoffe doch, dass der Arzt der Baclofen verschreibt, eine gewisse Dosierung empfiehlt/verordnet? Aber wir nehmen natürlich gerne den Leitfaden bzw. die Dosierungstabelle als richtungsweisend. Muss mir erstmal das Ganze in Ruhe durchlesen. Ich weiß, dass mein Mann das alleine hinkriegen muss und ich nur unterstützen kann. Wir haben das ja schon x-mal durch. Es tut aber gut, wenn man selbst auch etwas Zuspruch und Unterstützung erfährt, weil einem sonst irgendwann die Kraft verlässt. Ich kenne viele, die sich getrennt oder das einfach weiterlaufen lassen haben bis zum wirklich schlimmen Ende. Ich bin ein Familienmensch und habe auch meiner Kinder wegen bisher nicht aufgegeben. Ich denke, die sehen das auch als richtigen Weg.
DonQuixote habe ich schon eine PN geschickt.
Ich danke Dir nochmal und wünsche noch ein schönes Restwochenende.

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DonQuixote
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Re: Melly stellt sich vor

Beitragvon DonQuixote » 25. September 2016, 18:36

Hallo Melly

Eine Mail mit Arztvorschlag ging soeben an Dich raus. Einen guten Start in die Baclofen-Therapie wünscht

DonQuixote


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