Vorstellung Ottilie

Es wird eigentlich erwartet, dass sich Mitglieder vorstellen und ihre Lebensumstände schildern, damit die anderen in Etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben und ihm dann auch besser helfen können.
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Ottilie
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Vorstellung Ottilie

Beitragvon Ottilie » 10. Dezember 2014, 22:11

Hallo zusammen, das ist mein erstes Forum und ich hoffe, hier nix falsch zu machen…

Ich bin f, 50J, und seit 2,5 Jahren mit einem un-heimlichen Alkoholiker zusammen. (Damit meine ich einerseits, dass er das Trinken nicht verheimlicht, aber auch dass seine Wesensveränderung im „Suff“ ganz schön unheimlich ist)
Er hat diverse Entgiftungen und auch LZ-Therapien hinter sich, trinkt aber weiterhin; abgesehen von LZ-Therapien sind seine abstinenten Phasen sehr kurz, ca. 1 – 3 Wochen. Er trinkt tgl., häufig schon morgens und weitestgehend Bier, 8 -15 pT.
Ich habe mich jetzt hier angemeldet, weil wir beide hier schon eine Weile mitlesen und uns über Baclofen informieren – quasi die geschmeidige Tour. Grundsätzlich hat er wenig Probleme mit dem Entzug, wenn er denn will. Nur das Durchhalten ist das Problem und wenn er einen Rückfall hat, sagt er sich ganz schnell, „einmal Suchti, immer Suchti“ und steigt sofort wieder voll ein. Der Gedankengang ist also, dass er mit Bac den Rückfall hinauszögern und weniger heftig ausfallen lassen könnte.
Er hat sich hier noch nicht angemeldet, aber ich habe mich heute dazu entschieden, weil wir grade mal wieder Funkstille haben und v.a. weil mir dieses Forum und sein symphatischer Umgang miteinander so zusagt. Wenn ich woanders mitlese oder mit manchen FreundInnen drüber spreche höre ich einfach immer „Du bist Co-abhängig und kannst ihm nur helfen, wenn Du Dich trennst und ihn in die Gosse rutschen lässt“. Das will ich nicht, jedenfalls nicht als Programmpunkt und ich weiß auch gar nicht, ob ich ihm überhaupt helfen möchte. Unterstützung kann er immer von mir bekommen!
Funkstille haben wir grade, weil er aktuell keine Verantwortung für sein Handeln übernimmt und alles nach Außen projiziert – gerne auch auf mich. Das ist von einem auf den anderen Tag gekippt, normalerweise ist der netteste, liebste und klügste Mensch der Welt und plötzlich mutiert er zum Zombie. Ich vermute, das ist eine übliche Abwehrstrategie. Gibt es vlt. Tips, was ich dem entgegensetzen könnte?
So, mehr fällt mir nicht ein, allen eine gute Zeit!

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Suse
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Re: Vorstellung Ottilie

Beitragvon Suse » 10. Dezember 2014, 23:01

Liebe Ottilie,

erstmal kannst du hier gar nichts falsch machen, es sei denn, du würdest garstig, gemein, würdest andere beleidigen oder gar tätlich angreifen [biggrin]

Allerdings gehe ich davon aus, dass unser Admin, DonQ, diesen Thread womöglich etwas verschieben wird, da erst kürlich eine Extra Ecke für "Angehörige" eingerichtet wurde, es sei denn, dein Partner würde sich selber äußern. Aber das wäre nur eine Verschiebung in unsere Anlaufstelle für Angehörige von Alkoholabhängigen.
Diese Verwandlung vom lieben netten Menschen in eine anderes "Wesen" ist natürlich völlig normal für jemanden, der jedwede Droge konsumiert. Einige werden aggressiv, manche schlagen sogar, andere lethargisch oder "nur" ungerecht und zickig.
Ich finde, du machst das zu 100% richtig, zumindest so, wie du es beschreibst. Dieses
Wenn ich woanders mitlese oder mit manchen FreundInnen drüber spreche höre ich einfach immer „Du bist Co-abhängig und kannst ihm nur helfen, wenn Du Dich trennst und ihn in die Gosse rutschen lässt“.


ist ein uraltes Dogma und mag auch manchen Co-Abhängigen geholfen haben, selbst zu überleben. Sicher ist nicht alles falsch daran. Wer weiterhin liebevoll umsorgt gehegt und geliebt wird, wem womöglich sogar der "Stoff" besorgt wird, damit es ihm wieder "besser" geht, sieht womöglich tatsächlich keinen tieferen Sinn, sein Tun sein zu lassen - wenn die Sucht zu tief verwurzelt ist. In AA Grupen wird von den "Alten" gern erzählt, sie hätten erst Haus, Hof, Job und Familie versaufen müssen, um endlich zur Einsicht zu gelangen. Und die Co-Abhängigen tun alles für ihre Liebsten, sie putzen für sie, erledigen Papierkram etc etc,, und verzweifeln daran, dass das rein gar nichts bringt und gehen daran womöglich selbst kaputt....

Was damit wohl eher gemeint ist: Opfere nicht dein eigenes Leben dafür, einem Menschen "helfen" zu wollen, der sich nicht helfen lassen WILL - das allerdings ist ein schwieriger Zwiespalt bei Alkoholikern: sie sind zwar Totkrank, aber doch oftmals nicht entweder nicht bei Sinnen, das zu kapieren oder ändern zu wollen oder gar zu können und andererseits sehen sie für sich kaum eine Chance mehr. Im Suff ist ohnehin alles egal.

Wenn du aber schreibst:
Unterstützung kann er immer von mir bekommen!
Funkstille haben wir grade, weil er aktuell keine Verantwortung für sein Handeln übernimmt und alles nach Außen projiziert – gerne auch auf mich.


dann wirkt das für mich nicht Co-abhängig. Mit Unterstützung meinst du, beim Aufhören oder? Und weigert er sich oder wird "Alk-blöd" ist halt Sendepause. Fürs Erste. So verstehe ich das und wenn dem so ist, dann ist es das, was ich meine: So ist richtig;)

Was du dem entgegensetzen könntest, ist natürlich schwer zu sagen. Selbst wenn man ihn kennen würde, ginge das nicht.

Ottilie schrieb: Grundsätzlich hat er wenig Probleme mit dem Entzug, wenn er denn will. Nur das Durchhalten ist das Problem und wenn er einen Rückfall hat, sagt er sich ganz schnell, „einmal Suchti, immer Suchti“ und steigt sofort wieder voll ein. Der Gedankengang ist also, dass er mit Bac den Rückfall hinauszögern und weniger heftig ausfallen lassen könnte.


Schonmal gut, dass er mitliest und sich interessiert. Womöglich kann er mit Baclofen einen Rückfall rauszögern und weniger heftig gestalten. Was mich nachdenklich macht ist
"wenn er denn will"
. Denn Baclofen nimmt den Suchtdruck, nicht den TrinkWILLEN, also Trinkwunsch. Es heißt immer: "Baclofen schlägt dir das Glas nicht aus der Hand". Suchtdruck und Trinkwunsch allerdings sind immer ein wenig schwer voneinander zu unterscheiden.

Mein Rat wäre daher, es zu versuchen. Überrede ihn dazu, es zu probieren, er scheint ja nicht abgeneigt.
Zu verlieren habt Ihr beide NICHTS. Die notwendigen Infos findet Ihr Leitfaden und Ärzteadressen falls notwendig durch eine Private Nachricht (PN) an den Admin DonQ.

Bei Fragen gerne fragen, erstmal alles Gute, ich freue mich, wenn du dich weiter meldest, bis dahin liebe Grüße, Suse
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Re: Vorstellung Ottilie

Beitragvon Ottilie » 11. Dezember 2014, 01:20

liebe Suse,
erstmal vielen Dank für Deine schnelle Reaktion - leider habe ich eben erst in den Spam-Ordner gesehen, seufz...
Na, daneben benehmen werde ich mich hoffentlich nicht und verschoben werden, damit habe ich gerechnet...wusste nicht, wie / wo ich posten sollte.
Ganz besonders vielen Dank für die Anmerkung, dass ich es zu 100% richtig mache und nicht co-abhängig wirke. Das tut mal gut zu hören.
Ja, ich meine schon, dass ich ihn hinsichtlich Abstinenz unterstütze, aber sonstwo auch und ich auch erwarte / erhoffe, dass er mich auch unterstützt...was nur phasenweise funktioniert, dann aber sehr gut.
"Alk-blöd" ist hübsch...vlt. für ihn etwas angenehmer zu hören, als mein "Zombie-like". Irgendwie suche ich noch nach einem Zauberwort um ihm mitteilen zu können, dass und wann er sich grade verändert. Nicht unbedingt, um die Veränderung aufzuhalten, sondern eher um ihm ne Chance zu geben wahrzunehmen, warum ich mich vom Acker mache.
Was seinen Willen bzw. seine Bereitschaft angeht...je mehr "alk-blöd" umso mehr ergibt er sich in die Rolle des Säufers. Und verinnerlicht dabei, dass sich nie was ändern wird. Und tut seinen Teil dazu, dass sich nichts verändern wird. Irgendwann bekommt er einen Schuss vor den Bug, dann ist wieder eine Entgiftung dran.
Äh - er hat's schon mit Bac probiert, aber woher dazu erzähl ich jetzt nix. Clevererweise hat er's hochdosiert bis auf 30 und dann fröhlich runterdosiert auf wieder 10 oder so. Ursache war, dass er einen Abend dringend fit sein wollte. Dann fühlte er sich am nächsten Tag so zerschlagen, dass er sich nicht weiter die müde-machenden Bacs geben wollte, dann i.was anderes. Dann habe ich die anderen Pakete weggepackt...als Zusatz-Smarties fand ich's nicht angemessen. In Verbindung mit Entgiftung hätte ich's gern gesehen...aber es ergibt sich bestimmt nochmal ne Chance!
Nochmal heissen Dank für die super-lieben Worte und die nette Begrüssung
Ottilie

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GoldenTulip
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Re: Vorstellung Ottilie

Beitragvon GoldenTulip » 11. Dezember 2014, 13:50

Liebe Ottilie,

ganz lieb willkommen hier [hi_bye]

Ich hab schon heute früh morgens bei Dir gelesen. Mir ist die Grenze zwischen Coabhängigkeit und Empathie auch nicht ganz klar.
Als trinkende Betroffene hann ich Dir versichern: niemand hört wegen äußeren Drucks auf. Auch nicht aus "Liebe". Es ist als Angehörige unglaublich kränkend, wenn das Gegenüber scheinbar so gar nicht auf die eigenen Hilferufe und Bitten reagiert.
Coabhängigkeit bedeutet, dass man glaubt, daran etwas ändern zu können.

Wie nun da raus? Eigene Grenzen zu setzen. Ich glaube, Du hast das schon für Dich richtig gelernt: wegzugehen.

Es ist sehr schön, dass Du mit Deinem Freund im Forum einen neuen Weg ausloten willst. Und auch richtig. Nur - er trinkt, nicht Du.
Wenn er nicht will, geht gar nichts.

Ich überlege gerade eine andere Perspektive. Wenn er immer wieder zurückfällt in Gedanken wie "einmal Säufer, immer Säufer" machste nix, dann würde ich auf eine andere Ebene wechseln.

Will er Dich darüber verlieren? Konsequenzen zu tragen und Gosse ist nicht das Gleiche. Du hast von soviel schönen Erlebnissen zwischen Euch erzählt. Das gibt man ja auch nicht einfach mal so auf. Konsequent zu sein würde ich ausprobieren. Ich bin da, wenn Du nicht (übermäßig) trinkst, ansonsten bin ich weg. Klassische Konditionierung. Das kann (Jahre) dauern, aber - es funktioniert.

Mein Freund ist seit 7 Jahren mit mir zusammen, obwohl ich trinke (und er weiß das). Hab ich vielleicht ein paar gute Eigenschaften, die auch etwas wert sind.

Ich wünsche Euch beiden alles Gute, und wenn er selbst hier schreiben möchte, wäre das ein Gewinn,

Lieben Gruß
Conny
Siegreiche Krieger siegen bevor sie in den Krieg ziehen, während Verlierer erst in den Krieg ziehen und dann versuchen, zu gewinnen. Sunzi.
Wenn Du nichts tun kannst, tu, was Du tun kannst. Conny.

In respektvollem Gedenken an Aaron Swartz http://de.wikipedia.org/wiki/Aaron_Swartz

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Re: Vorstellung Ottilie

Beitragvon Ottilie » 11. Dezember 2014, 15:42

Hallo liebe Conny,
was seid Ihr alle nett♥♥♥!!!
Ja, ich denke schon, dass er mich verlieren will (einerseits). Denn mit seinen Kumpels ist es einfacher - da ist dann mal 4 Wochen Sendepause, dann klopft man sich auf die Schulter und alles ist gut. Mit mir, mit Beziehung, komplizierter. Tiefer, ehrlicher, anstrengender. Andererseits verlässlicher und emotionaler. Er hat mich mal seinen Strömungshaken genannt, was ich ganz schön passend finde. Manchmal ist das Festhalten in der Strömung zu anstrengend und das Sich-Treiben-lassen zu verlockend.
Konditionierung ist was feines und ich bin ganz entzückt, was sogar Katzen lernen können...die Idee ist gut, allerdings mit der Trinkmenge nicht so praktikabel...manchmal ist er mit 3 Bier dermassen unleidlich, dass es einfach nicht geht. Und Konditionierung muss doch sehr eindeutig verlaufen, oder? Also setze ich die Grenze lieber bei seinem Verhalten. Wobei mich sehr nervt, dass er's nicht wahrnimmt und dann schnell was in den falschen Hals bekommt. Also suche ich nach einem praktikablen Code-Wort. Aber das scheint nicht zu reichen. Vlt. sollte ich's noch tanzen und singen...ich glaube, da hatte ich grade eine gute Idee... [wacko]
Ich glaube, da bin ich wieder ganz bei Dir! Es muss eine andere Ebene ran... Wenn er dumm rumlabert und ich dumme Entgegnungen liefer ist doch alles dasselbe...tanzen und singen würde dann doch eher überraschen...
...mich allerdings auch, und vlt. nicht auf die schlechteste Art, ich neige unter Streß sehr dazu, nur noch rational zu sein, was mir gar nicht so gut steht...
Ihr seid seit 7 Jahren zusammen? Das finde ich toll! Ich glaube nicht daran, dass man Beziehungen von Äußerlichkeiten oder Krankheiten abhängig machen sollte. Ich wäre ja auch mit einem Epileptiker oder Diabetiker zusammen... Ganz sicher hast Du einen Haufen guter Eigenschaften! Hier habe ich schon bemerkt, dass Du zuhörst, mitdenkst und versuchst Lösungen zu finden.
Lieben Gruß
Ottilie

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Re: Vorstellung Ottilie

Beitragvon Suse » 12. Dezember 2014, 00:57

Ottilie hat geschrieben:Hallo liebe Conny,

Konditionierung ist was feines und ich bin ganz entzückt, was sogar Katzen lernen können...die Idee ist gut, allerdings mit der Trinkmenge nicht so praktikabel...manchmal ist er mit 3 Bier dermassen unleidlich, dass es einfach nicht geht. Und Konditionierung muss doch sehr eindeutig verlaufen, oder? Also setze ich die Grenze lieber bei seinem Verhalten. Wobei mich sehr nervt, dass er's nicht wahrnimmt und dann schnell was in den falschen Hals bekommt. Also suche ich nach einem praktikablen Code-Wort. Aber das scheint nicht zu reichen. Vlt. sollte ich's noch tanzen und singen...ich glaube, da hatte ich grade eine gute Idee... [wacko]


[lol]

Hab grade mit einer Freundin über die "Konditionierung von Männern" gesprochen. Deshalb muss ich so lachen, auch wenn die Situation an sich natürlich nicht zum Lachen ist. Sorry. Haben seit kurzem einen Hund und ich bemerke immer mehr, dass es soooviele Unterschiede nicht gibt. "Männern Vorwürfe zu machen", so die Freundin, "bringt gar nichts". Somit "konditioniert" man sie mit "Lob", fällt mir nach wie vor schwer, tja. Bei Hunden hilft "Ignorieren", wenn sie meinen, den Rudelführer geben zu wollen;-)
Das fällt schwer, wenn sie so süß gucken.
Habt Ihr denn immer noch Funkstille? Noch eine -indiskrete Frage- trinkst du denn auch im normalen Rahmen?

Wie geschrieben, ich bin gegen "Fallen lassen" -aber für "eine Weile ignorieren". Lass ihn merken, ob er dich vermisst. Auch wenn das eine Weile bedeuten könnte, dass er sich für den Alkohol und gegen dich entscheidet. Aber, so wie du es beschreibst, hat er durchaus klare Momente.
normalerweise ist der netteste, liebste und klügste Mensch der Welt


Meine Meinung und nur meine,

lieben Gruß, Suse
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Re: Vorstellung Ottilie

Beitragvon GoldenTulip » 12. Dezember 2014, 10:53

Liebe Ottilie,

Menschen sind keine Katzen, und durch ihre Fähigkeit zu semantischen Schlüssen meistens widerspenstiger, na gut, sagen wir: komplexer.

Also setze ich die Grenze lieber bei seinem Verhalten. Wobei mich sehr nervt, dass er's nicht wahrnimmt und dann schnell was in den falschen Hals bekommt. Also suche ich nach einem praktikablen Code-Wort. Aber das scheint nicht zu reichen.


Erstmal Chapeau! Ich halte es für eine unglaublich starke Seite von Dir, trotz der schwierigen Umstände selbst recht stabil und unerschütterlich zu bleiben und nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten.

Fragen möchte ich, was denn in den hellen, schönen, klugen Momenten an Gespräch möglich ist? Könnt ihr nicht eine Verabredung treffen, die Dich schützt und ihm Raum lässt?! Ich grüble über das "Codewort" nach. Das setzt eine hohe Unabhängigkeit Deinerseits voraus, die lebst Du aber offenbar ganz gut.

Wie wär's mit einem: "Ist der Meister zuhause?" Willst und kannst Du mich noch zur Kenntnis nehmen? Wenn nicht, entscheide ich, jetzt zu gehen. Das ist ein Verhalten, was zumindest bei mir wirkt. Der echte Wille zu Veränderung stellt sich bei mir jedoch erst im Positiven ein, nicht über Verlust und Sanktionen. *seufz* Dann entsteht so eine Art Trotzhaltung (auch nüchtern, übrigens), mich nicht erpressen lassen zu wollen.

Bei mir spielt eine wesentliche Rolle in der Liebe, auch geliebt zu werden, wenn ich scheußlich bin. Damit meine ich nicht, nicht für Verhalten kritisiert zu werden, das ist ok. Aber ich will nicht mehr /wieder als Person infrage gestellt werden Niemand ist ich. Mir fehlt die Luft zum Atmen, wenn jemand versucht, an mir rumzuschrauben.

Das entbindet mich natürlich nicht, mich sozialkompatibel und respektvoll zu verhalten. Nur ist das Trinken eben auch eine Art, innerlich eine Tür zu schließen und seine Ruhe zu haben. Das ist wie emotional überfordert zu sein. *doppelseufz*

Denn mit seinen Kumpels ist es einfacher - da ist dann mal 4 Wochen Sendepause, dann klopft man sich auf die Schulter und alles ist gut. Mit mir, mit Beziehung, komplizierter. Tiefer, ehrlicher, anstrengender. Andererseits verlässlicher und emotionaler.


Passt das ein wenig dazu? Bindungsfähigkeit kann man sich nicht herbeidenken, da braucht es viel Zeit und positive Neuerfahrungen, wenn man dort verletzlich ist. Und wenn Du es schaffst, Grenzen zu setzen, wird es für Deinen Freund eher leichter, weil er merkt, dass Du gut für Dich selbst sorgen kannst. Das bedeutet eine große Entlastung.

Weniger Stress = weniger Trinken.

Lieben Gruß
Conny
Siegreiche Krieger siegen bevor sie in den Krieg ziehen, während Verlierer erst in den Krieg ziehen und dann versuchen, zu gewinnen. Sunzi.
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Re: Vorstellung Ottilie

Beitragvon Ottilie » 12. Dezember 2014, 14:40

Hallo liebe Suse,
ich fange erstmal mit dem "Eingemachten" an: Ich trinke Wein und finde Bier ziemlich abscheulich. Mengenmäßig ist's noch normal. Aufgewachsen bin ich mit einem offensichtlich trinkenden Vater und einer heimlich trinkenden Mutter. Schon als Kleinkind mußte ich meinem Vater tgl. das Bier aus dem Keller holen und habe zumindest einen Teil seiner Aggressionen miterlebt. In der Pubertät fiel mir dann auf, dass auch meine Mutter nicht unerheblich trinkt, allerdings verdeckter. "So, jetzt brauche ich erstmal einen Fernet" kam dann immer häufiger. Ich habe ihre Trinkmengen kontrolliert, aber sie hat abgestritten, dass es problematisch ist. Ich bin mit der Horror-Vorstellung aufgewachsen, ebenfalls abhängig werden zu können und nach wie vor ist "Kontrollverlust", zumindest auf mich selber bezogen, der totale Horror. Mittlerweile vermute ich, dass mein Sucht-Gen nicht so ausgeprägt ist. Ich hatte mal eine Beziehung mit einem funktionierendem Alkoholiker und fand es damals extrem furchtbar, wieder wie in der Kindheit zu kontrollieren, Druck auszuüben und all die Verhaltensauffälligkeiten erdulden zu müssen. Als ich mich endlich endgültig getrennt und eingesehen hatte, dass ich ihm nicht helfen kann habe ich mir damals geschworen...NIE wieder ein Suchti...
...und war zumindest anfangs sehr erschüttert von meiner Inkonsequenz. Aber es ist jetzt ganz anders - der damalige Freund hatte emotional sehr viel Druck ausgeübt und meine Eigenständigkeit überhaupt nicht respektiert. Mein jetziger Freund ist ähnlich wie ich gestrickt, sogar mit vergleichbarer Kindheit. Irgendwie passen wir, so dass ich die Sucht als nebensächlich empfinde, zumindest nicht deswegen die Beziehung in Frage stelle. Ich bin sogar sehr beeindruckt, wie es ihm gelingt, Kontrollverluste durchzuleben und irgendwann doch wieder in den Spiegel zu schauen. Aber ich glaube, immer nur aus den Augenwinkeln, denn so wirklich gefällt es ihm nicht, was er da sieht.
So, jetzt reichts aber mit dem Ernsten! Lachen finde ich sehr gut und hilfreich, bitte nicht dafür entschuldigen. Aber Hunde als Vergleich...tsstsstsss...viel zu schlicht gestrickt!!! Ich bleibe bei dem Katzenvergleich... Mein früherer Kater (ganz sicher hatte er ADHS) hatte eine lange Phase, in der er auf mein Regal gesprungen ist, mich auffordernd angesehen und dann breit grinsend neue Schnitzereien hinzugefügt hat. Irgendwann habe ich bemerkt, dass er es richtig toll fand, wenn ich kreischend und mit den Armen fuchtelnd auf ihn zugerannt kam, denn da habe ich mich ja mit ihm beschäftigt. Ignorieren ist bei grundsätzlich unabhängigen Katzen sinnlos. Ich bin dann dazu übergegangen ihn zu loben und ihm dicke Schmatzer auf die Stirn zu geben. Das fand er so blöd, dass er sich anderes ausgedacht hat, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Z.B. hat er einen Kopfsprung von der Sofalehne hinter das Kissen gemacht, mich zum Lachen gebracht und zum Spielen mit ihm.
Mein Freund findet dicke Schmatzer auf die Stirn auch blöd...aber ich schätze, diese Körperlichkeit wäre nicht hilfreich. Ignorieren ist aber auch nicht hilfreich. Dazu ist er zu unabhängig.
Lass ihn merken, ob er dich vermisst.
(tätääää, ich habe zum ersten Mal zitiert!) Ja, ich denke das tut er, hat aber Schwierigkeiten sich das einzugestehen. Du schreibst aber "lass", was einen aktiven Anteil von mir impliziert bzw. möglich macht. Da suche ich noch nach dem Mittelweg zwischen "über den eigenen Schatten springen" und "alles was passiert ist kritiklos hinnehmen". Ich fürchte, dass mein aktueller Mittelweg "ich hab Dich lieb, aber (.....) ist blöd gelaufen" auch nicht das Gelbe vom Ei ist. Ich selber finde Unterforderungen grässlich und kaue ihm alles vor...
Aber, so wie du es beschreibst, hat er durchaus klare Momente.

Er hat das hellste Köpfchen überhaupt...wenn er grade nicht "alk-blöd" oder entzügig ist. Da ist jeder Erklärungsversuch von mir sinnlos, weil er's ja eh weiss und sogar antwortet, wenn ich nur etwas gedacht und gar nicht gesagt habe. Irgendwie muss ich die Unterforderungen reduzieren und ihm was zum Knobeln geben. Und vlt. zum Lachen bringen. Und ich überlege grade, ob ich nicht selber die Katze bin und mich selber konditioniere???
Kontakte? Ja und nein. Lediglich Chat-Kontakte seit einer Woche. Betrunken und sinnfrei. Habe ich ziemlich abgebügelt, aber mit dem Hinweis, dass er gerne anrufen kann, wenn es was zu besprechen gibt. Und war schon beim Abschicken unzufrieden mit mir...so dass ich noch 2 YouTube links hinterhergeschickt habe, die ein wenig gemein waren, aber auch durchaus lieb. Zumindest wirklich gute Musik, die ich tatsächlich grad gehört hatte. Das zweite war "The Killers - Read my Mind". Ich hoffe, ihn damit zumindest irritiert zu haben.
Hilfe, an dieser Antwort habe ich grade 2 St. geschrieben...und hocherfreut, was zum Nachdenken bekommen zu haben! Dank Deiner Meinung!
Ganz lieben Gruss von
Ottilie

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Re: Vorstellung Ottilie

Beitragvon Ottilie » 12. Dezember 2014, 17:33

Hallo liebe Conny,
jede Bauchpinselei ist mir herzlich willkommen, selbst wenn sie nicht so richtig zutreffend ist... Dein "Chapeau" in allen Ehren, aber ich selber empfinde mich noch als viel zu erschütterlich! Aber ich glaube, das hast Du verstanden. Dennoch schön für etwas gelobt zu werden, was ich als Kleinigkeit empfinde. Denn irgendwie war mir von Anfang an klar, dass wir zusammen passen, zusammen gehören. Aber es gibt da noch diesen Selbstschutz-Schalter, der sich immer umlegt und rumquäkt, das lässt Du Dir aber jetzt nicht gefallen, schütze Dich, schütze Dich. Da hat meine eigentliche Gefühlssicherheit nichts mehr zu vermelden. Ehrlich gesagt finde ich es gemein, dass sein Suff mich immer wieder so aus dem Gleichgewicht bringt.
Nee, Menschen sind keine Katzen! Allerdings ist die verbale Kommunikation im Suff ziemlich eingeschränkt - ich schätze, meine Kater-Erzählung hat es etwas deutlicher gemacht.
Als Codewort hatte ich mir "Triskaidekaphobie" ausgeguckt, dies aber bisher versäumt weiter zu besprechen, geschweige zu entscheiden. Es heisst, Angst vor der Zahl 13, also eine recht durchgeknallte Phobie. Er hat ein faible für Fremdworte und ist mal begeistert über "Trichophagie" (brrrr...eklig...nicht ergooglen) gestolpert. Triskaidingens ist neutral, betrifft keinen von uns, kränkt keinen, beinhaltet keinen Vorwurf, ist irritierend, weil nicht zum normalen Wortschatz gehörend. Und ist lang genug für einen kleinen Ausdruckstanz!
"Ist der Meister zuhause?" gefällt mir deswegen, weil die Frage eine Antwortmöglichkeit beinhaltet, die der Gefragte entscheiden darf. Sofern das Hirn noch Entscheidungsmöglichkeit hat und nicht Selbstläufer geworden ist. Ich schätze, Du bist kontrollierter als er! Wobei ich grundsätzlich eine Frage sehrsehr gut finde.
So, jetzt komme ich aber zu dem Teil, der mir total Spaß gemacht hat, nämlich was Du über Dich selber schreibst. Da bin ich absolut bei Dir und nicke alles fröhlich ab. Die Gedanken zu Erpressung und Dickköpfigkeit teile ich und empfinde genauso.
Bei mir spielt eine wesentliche Rolle in der Liebe, auch geliebt zu werden, wenn ich scheußlich bin.
Das hast Du wunderbar auf den Punkt gebracht - und hat gleichzeitig auch viel mit meinem Freund und mir zu tun. Wären wir nicht so voller Macken, fänden wir uns wahrscheinlich eher uninteressant. Mich persönlich nervt allerdings, dass es so selten Raum gibt für meine eigene Scheußlichkeit. Einmal habe ich mich dermassen daneben benommen, dass ich mich heute noch dafür schäme. Da ist er zu ner Party gefahren und ich habe ihn mit Vorwürfen traktiert, dass er mich nicht mitnimmt. Irgendwann stellte sich raus, dass er mich gerne mitgenommen hätte, sich aber nicht getraut hat zu fragen... Naja. Soooo scheußlich möchte ich nicht dauernd sein, aber ich hätte schon gerne mehr Raum ich selber zu sein und weniger reagieren zu müssen.
Durchs Trinken die innere emotionale Tür schliessen können. Ich glaube, das ist genau der Teil, den ich "bewundere" (s.o.) und den es in meinem Leben so gar nicht gibt. Aber sag mal, wie schwierig ist es denn dann anschliessend die Aufräumarbeiten zu bewältigen? Ich, ohne Kontrollverlust, kenne zumindest die Anteile in mir, die sich daneben benehmen und kann mich irgendwie mit diesen Anteilen arrangieren. Aber mit Kontrollverlust und ggfs. wilden Tieren, die man / frau weder kennen möchte, geschweige denn eine nähere Verwandschaftsbeziehung pflegen oder pflegen zu müssen...???
(War eben ein wenig frei-assoziierend und habe an meine Kindergartenliebe gedacht. Im Nachhinein vermute ich, dass sie, im Gegensatz zu meinem Kater, tatsächlich ADHS hatte. Wir waren das absolute dream-team. Sie hat jedes Fettnäpfchen mitgenommen und dann die entsprechenden Sanktionen kassiert. Ich war die Einzige, deren Ratschläge sie auch vorher berücksichtigt hat, allerdings ging es weniger darum, den Spaß am Verbotenen zu verhindern, als zu vermeiden, dass die kleine Schwester uns verpetzt. (Bestechung...) Sie Pippi Langstrumpf, ich Annika. Immer schon wäre ich soooo gerne Pippi Langstrumpf gewesen, habe aber nur ganzganz viele Annika-Anteile abbekommen)
Mein Freund hat auch viel von Pippi Langstrumpf. Meine damalige Freundin hat mich unendlich geliebt, auch wenn ihr jeder bereitwillig unterstellt hätte, dass sie nicht bindungsfähig ist. Leider ist man/n älter, reifer und komplexer geworden. Damals habe ich ihr erklärt, dass sie sich gerne weiter abrackern kann, dass keiner sie mag und sie keinen mag, es aber sinnvoll ist, es mal unverbindlich mit mir zu probieren, wenn sich unsere Mütter schon so demonstrativ miteinander befreunden. Ich bewundere immer noch, wie schnell sie sich entschieden hat, mich in ihr Herz zu lassen.
Seine Bindungsfähigkeit zweifelt mein Freund ausgesprochen gerne an und ich bin mir schon bewußt, dass er sehr lange brauchen wird, das Liebenswerte in sich selber zu sehen und zu akzeptieren, dass er so wie er ist, gut genug ist. Es meinem Freund leichter machen ist ein guter Ansatz.
A propos leichter machen: Ich habe mir vorgenommen, vieles leichter zu nehmen bzw. mehr Spiele und Spaß im Leben einzubauen, womit ich jetzt keine Gesellschaftsspiele meine. Was ich meine ist, lästige Pflichten zu Spielen umzugestalten oder zumindest zu versuchen, statt zu kritisieren witzig zu sein, weil man lachend nicht so recht in den Gegenwehr-Modus schaltet. Oder hättest Du dann noch das Gefühl, an Dir wird rumgeschraubt?
Das Dumme daran ist, dass mein Freund derjenige ist, der mich total lässig zum Lachen bringt, auch wenn ich eigentlich eher düster gestimmt bin. Nicht umgekehrt. Ich kann zynisch und ironisch lässig aus dem Ärmel schütteln. Aber witzig-lieb...da muss ich noch dran arbeiten!
Ganz besonders lieben Dank v.a. für die Denkaufgaben an mich
Ottilie (Annika-Ottilie)
P.S. Gibt es eine Möglichkeit die Nachrichten einzeln und direkt zu erhalten oder sie abzuspeichern, abgesehen von copy+paste? Ich finde die scrollerei relativ anstrengend, bis ich den jeweiligen Absatz gefunden habe.

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Re: Vorstellung Ottilie

Beitragvon Ottilie » 14. Dezember 2014, 17:04

Hallo, insb. Conny,
nachdem ich das Ameisen-Buch durch habe klicke ich mich mal wieder durch das Forum - eben weil mir das Individuelle hier so gefällt und mich neugierig macht. (Ich war sehr fasziniert, wie viele AA Gruppen er besucht hat, besuchen konnte, ohne wütend zu werden. Mir persönlich liegt es so gar nicht, wenn Menschen in ein Raster gedrückt werden. Vlt. auch eher umgekehrt, dass der Tenor dahintersteckt, dass Heilung erst dann möglich ist, wenn man seine Individualität aufgegeben hat. Lieblingsstelle im Leben des Brian: Ihr seid doch alle Individuen - jaaaa, wir sind alle Individuen...)
Beim Lesen hat's mich zum ersten Mal durchzuckt, als die Rede vom "Glück" war, vom Mangel das Glück wahrnehmen, festhalten zu können. Sehr grundsätzlich interessiert mich immer schon die Frage, was bleibt, wenn die Krankheit weg ist. Wie den verlorenen Krankheitsgewinn wieder ausgleichen. Es hatten gleich 3 geschrieben, dass sie genau an der Stelle mit dem Glück ein deutliches Problem haben.
Mein flash-back dazu: Mein Freund und ich hatten ein sehr geniales halbes Jahr, in dem wir beide erlebt und gespürt haben, dass wir zusammen passen, einander gut und keinesfalls weh tun. Dann hatte ich eine Woche Urlaub. Er hatte wahrscheinlich das Bedürfnis mir etwas besonderes bieten zu wollen, was mir zwar hochgegriffen vorkam, dem ich aber dennoch zugestimmt habe. Direkt am ersten Tag meines Urlaubs ist er böse abgestürzt und hat mich am Telefon angelogen. Mein Impuls damals war, ich habe ja Zeit, fahre zu ihm hin und setze mich einfach dazu. Ich ärgere mich heute noch, ihm das 5x angeboten zu haben, 5x Ablehnung kassiert und das dann akzeptiert zu haben. Ich glaube mein Impuls, mein Gefühl war richtig und ich hätte einfach nicht diskutieren sondern losfahren sollen. Auch für mich. Ich gestalte lieber als zu erdulden (und habe mir wohl eben selber eine Antwort gegeben) - seitdem befinden wir uns sehr häufig in der Spirale, wo er sich als rettungslosen Trinker definiert und ich mich bestenfalls abgrenze. Ich glaube, das hatte mit "Glück" zu tun, dieses nicht zu verdienen oder wie ein schwarzes Loch wegsaugen zu können. Ich kann das gut nachempfinden, auch damals. Es geht also gar nicht so sehr um den Krankheitsgewinn durch's Trinken, sondern eher darum, den Mangel weniger zu spüren. Was ich viel dramatischer finde.
Conny hat mich dann über HSP stolpern lassen, wovon ich noch nienienie gehört habe und mein Freund m.E. auch nicht. Ich habe ihm direkt den Wiki-link geschickt - habe also gestaltet...
Mein Freund versucht ständig sich und mir (seine) psychischen Erkrankungen einzureden (vorzugsweise Borderline, Bipolarität, ADHS), worauf ich nicht wirklich reagiere, er hat das einfach nicht, Punkt. Ich dagegen versuche ihm einzureden, er hat das Sternzeichen Zwilling...was er wiederum blöd findet, weil ihm Esoterisches nicht gefällt und die Schublade des Horoskops sowieso nicht. Mir dagegen gefällt es sehr gut, meine Widersprüchlichkeiten durch diese Schubladen erklärt zu bekommen. Da brauche ich nicht weiter in Kindheitserlebnissen wühlen und gut ist's. Die Menschen sind verschieden und eben auch die Lösungswege.
HPS ist es! Es ist keine Diagnose, aber es beschreibt ihn gut. Und v.a., wie beim Sternzeichen war es einfach von Anfang an da und hat immer schon das Leben schwerer und rätselhafter gemacht. Und keiner von uns hat Unrecht...Er hat nicht nichts, er hat was, aber eine Erkrankung ist's nun auch nicht. Was mich wirklich wundert ist, dass er sich selber konsequent als Empath bezeichnet, sein halbes Leben im Internet verbringt, mehr als genug Therapeuten und Psychiater kennen gelernt hat, aber diese Antwort nie gekommen ist...
Vielen Dank also dem Forum und explizit Conny!
Ich für meinen Teil werde jetzt mal in mich gehen und mich fragen, ob HPS etwas mit mir zu tun hat. Bzw. warum ich vor langer Zeit mal die Entscheidung getroffen habe, nicht mehr zwischen den Zeilen lesen zu wollen. Klar, um weniger durcheinander gebracht zu werden. Aber ob ich nicht mittlerweile meine schlimmsten Befürchtungen, was mit mir passieren könnte, Stück für Stück abbauen könnte. Schutzmauern engen ja auch ein. Aber was ist dahinter, mag ich es, will ich damit leben?
Danke!
Ottilie

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GoldenTulip
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Re: Vorstellung Ottilie

Beitragvon GoldenTulip » 14. Dezember 2014, 22:18

Liebe Ottilie,

ich muss mich durch Deinen Text durcharbeiten. Positiv gemeint. Du schreibst in großer Dichte.
Sehr grundsätzlich interessiert mich immer schon die Frage, was bleibt, wenn die Krankheit weg ist. Wie den verlorenen Krankheitsgewinn wieder ausgleichen


Da gehe ich ganz anders ran. Nicht entweder- oder, sondern plus-plus.

Jemand, der über lange Jahre den Alkohol eingesetzt hat, um zu leben, zu lieben und zu lachen ist einfach kein simples Arschloch. Ihm oder ihr war nicht zwangsläufig egal, was mit den Menschen passiert, die er oder sie liebt.

Ich halte es für wünschenswert, das nüchtern hinzubekommen. Wahlfreiheit zurück zu erlangen. Die Krankheit besteht zu 10% aus Alkohol (und dem wiederkehrenden Verlangen, in dieses Bewusstseinstadium zurück zu kehren) Zu 90% Prozent besteht die "Krankheit" darin, gesund in einer ziemlich kranken Welt zu leben

Morgen weiter,

Conny

Mir ist klar, dass das nicht sehr hilfreich ist, um aktuelle Probleme zu besprechen.

Was gegenüber der "Krankheit" ist oder gilt als gesund? Nüchtern zu sein ohne Willen ist mir auch kein Gewinn.

Dann bin ich arbeitsfähig. Verwertbar. Da hält sich der Freudefaktor bei mir in Grenzen.
Siegreiche Krieger siegen bevor sie in den Krieg ziehen, während Verlierer erst in den Krieg ziehen und dann versuchen, zu gewinnen. Sunzi.
Wenn Du nichts tun kannst, tu, was Du tun kannst. Conny.

In respektvollem Gedenken an Aaron Swartz http://de.wikipedia.org/wiki/Aaron_Swartz

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Re: Vorstellung Ottilie

Beitragvon Ottilie » 15. Dezember 2014, 10:15

Liebe Conny,
ich hoffe, glaube zu verstehen was Du meinst und bin immer dafür zu haben, von Defizit-Blicken wegzugehen. Aber so individuell wie Du sieht sich kaum jemand, oder? In der Gesellschaft ausgegrenzt, stigmatisiert. Ständig den Aufkleber "suchtkrank" statt Mensch auf der Stirn führt doch auch zu einer Eigenidenfikation. Genauso wie die Beschaffung, Entsorgung, Finanzierung das Leben ausfüllt. Abgesehen von der emotionalen Komponente. Als Suchtkranker weiss man zumindest, wer man ist...und die Dosissteigerungen suggerieren doch auch, dass man den Suchtstoff psychisch braucht.
Ich hoffe, verstanden zu haben und verständlicher geworden zu sein.
Hmmm...sorry für das dichte Schreiben. Ich habe quasi öffentliches Tagebuch geschrieben, also für mich, mit der Option, dass mir jemand bei Interesse Rückmeldung geben kann. Grundsätzlich kann ich etliche Seiten problemlos vollquasseln, was bei anderen jedoch ermüdend wirkt. Ich hab eh wieder zu lang geschrieben...
...ich freue mich, dass Du Dich durchackern magst und dann auf Deine Rückmeldung!
Lieben Gruß
Ottilie

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Loki
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Re: Vorstellung Ottilie

Beitragvon Loki » 16. Dezember 2014, 15:44

Hallöchen, Ottilie. [hi_bye]

Ottilie hat geschrieben:... und seit 2,5 Jahren mit einem un-heimlichen Alkoholiker zusammen. (Damit meine ich einerseits, dass er das Trinken nicht verheimlicht, aber auch dass seine Wesensveränderung im „Suff“ ganz schön unheimlich ist)


Danke für Deine Offenheit. Zum ersten Mal wird mir bewusst, dass Alkoholiker auch unheimlich wirken können (im Sinne von schwarzen Gestalten und Dämonen) und das gibt mir sehr zu denken.

Ich bin selbst Alkoholiker und kann gar nicht nachvollziehen, wie es zu so einer Wahrnehmung kommt.
(Jedenfalls konnte ich das bis zum Lesen Deines posts nicht.)

Ottilie hat geschrieben:... Hmmm...sorry für das dichte Schreiben. Ich habe quasi öffentliches Tagebuch geschrieben, also für mich, mit der Option, dass mir jemand bei Interesse Rückmeldung geben kann. Grundsätzlich kann ich etliche Seiten problemlos vollquasseln, was bei anderen jedoch ermüdend wirkt.


Das ist doch ok. [smile]
Es geht mir so ähnlich. Ich könnte schreiben und schreiben und schreiben...
Wenn ich es denn mal wirklich mache, kommen ellenlange Texte zustande und irgendwann frage ich mich, ob das eigentlich sein musste.
Deswegen bremse ich mich seit einiger Zeit und versuche, mich etwas kürzer zu fassen. Was nicht immer möglich ist, wenn ich einmal begonnen habe zu labern. [cool]

Ottilie hat geschrieben:... was seid Ihr alle nett♥♥♥!!!


Nun ja, ich jedenfalls bemühe mich nett zu sein. [twiddle] (wie kann man eigentlich die Herzen machen?)

Was mir sonst noch so einfällt:

Es gibt Dinge, die man als Alkoholiker nicht akzeptieren kann. Dazu zählt für mich, dass viele Leute nicht an dieser Krankheit leiden, obwohl sie täglich Alkohol konsumieren. Während Andere (wie ich) ebenfalls trinken, aber mit allen Konsequenzen und Nachteilen zu leben haben, ohne sich etwas zu Schulden haben kommen zu lassen. (Was für eine unglückliche Formulierung, aber es geht nicht anders.)
Dies ist ein Phänomen, welches ich als Glück für die Einen und als fatales Schicksal für die Anderen empfinde.

Und dann vielleicht noch etwas, was mir als Alkoholiker sehr wichtig ist, Ottilie:
Ich weiß ganz genau, dass es Dir nicht gut geht damit, jemanden zu unterstützen, von dem Du genau weißt, dass er scheitern wird. Und dass Du genau so scheitern wirst, wenn Du Dich seiner annimmst, statt Dir selbst etwas Gutes zu tun.
Mir selbst jedoch geht es so, dass es niemanden gibt, der mir hilft, so wie Du es beschreibst. Ich könnte zwar sagen, dass das gut ist, weil ich ja somit auch niemandem schade. Allerdings will ich auch keinem schaden, aber falls es jemanden gäbe, der mir hilft, könnte ich vielleicht glücklich werden.

mfg
Loki
Heutzutage ist es ziemlich hart, ein Irrer im mittleren Alter zu sein.
(John Katzenbach)


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