Unsere Geschichte

Hier erhalten Angehörige von Alkoholabhängigen Rat und Hilfe sowie auch Arztvorschläge. Und sie können dort lesen, wie andere mit dem Problem umgehen.
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Jessy
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Unsere Geschichte

Beitragvon Jessy » 8. August 2014, 18:39

Hallo und guten Tag,

nachdem ich mich gestern hier angemeldet habe nehme ich nun meinen Mut zusammen und schreibe diesen Beitrag.

Ich will mein Anliegen etwas genauer schildern.

Ich bin Mutter eines alkoholkranken Sohnes. Er ist jetzt ca. 50 Jahre alt, begann bereits in der Pubertät heimlich zu trinken. Nach Abi, Studium, und kurzer Berufstätigkeit war er mit etwa 30 Jahren am Ende. Wir wussten noch nichts von seinem übermäßigen Alkoholkonsum, da er ja längst nicht mehr zuhause wohnte. Er kam damals hilflos, verwirrt mit einer Psychose zu uns ins Elternhaus zurück. Wir wussten uns nicht anders zu helfen, als ihn in die Ambulanz eines Krankenhauses zu bringen, wo er dann in der Psychiatrie blieb. Auch dort gelang es ihm den Alkoholmissbrauch zu vertuschen und er musste stationär dort bleiben. Wurde mit Psychopharmaka behandelt.
Dieses "Spiel", Psychoseverwirrung -> Klinik -> zurück in seine Wohnung, wiederholte sich mehrmals im Laufe der nächsten 10 Jahre, bis wir endlich merkten, dass da Alkohol im Spiel ist. Nach der Entlassung aus der Klinik verschwand er dann jeweils wieder in seine Wohnung. Es ist für mich heute noch unfassbar, wie erfinderisch Alkoholkranke sind.

Wir kümmerten uns insoweit weiter um ihn, dass er seine Wohnung und Krankenversicherung etc. behielt, und berentet wurde. Er war ja zu nichts mehr fähig, lief völlig heruntergekommen durch die Gegend. Ansonsten mussten wir großen Abstand zu ihm halten, da er uns gegenüber aggressiv ist. Wir halten inzwischen räumlichen Abstand, erkundigen uns aber in gewissen Zeitabständen telefonisch nach seinem Befinden.

Schließlich wurde er von der Polizei aufgegriffen und wieder in die Psychiatrie gebracht. Nun verlor er auch seine Wohnung und kam unter Betreuung.
Inzwischen wurde ihm wieder eine Sozialwohnung zugewiesen, in der er weiterhin unter Betreuung lebt, aber ständig in der Angst, in ein Heim oder eine Entzugsklinik eingewiesen zu werden.

Nun versucht er immer wieder vom Alkohol loszukommen, es gelingt ihm aber immer nur 3 - 4 oder auch mal 5 Wochen durchzuhalten, dann wird er wieder rückfällig. Da er sich nun in betrunkenem Zustand verletzt hat, kann er nicht aus dem Haus, hat aber jemanden, der ihm gegen Bezahlung das Nötigste (auch Bier) besorgt.

Nun hat ihm mein Mann von Baclofen erzählt und er ist sehr interessiert. Aber er hat weder Internet noch sonstwas, ist die nächsten Monate ans Haus gefesselt und kennt natürlich keinen Arzt, der eine solche Behandlung machen würde.

Meine Frage wäre nun, ob ich als Angehörige nun von Euch hier im Forum so eine Arztadresse bekommen könnte, dass ich sie an ihn weiterleite. Ich weiß, dass sich der Betroffene selbst bemühen sollte, aber das ist ihm nicht möglich.

Ich habe von Prof. Ameisen schon vor 5 oder 6 Jahren mal gelesen, aber damals gab es ja gar keine Möglichkeit irgend etwas in der Richtung zu erfahren, und nun wurde ich durch einen Artikel im Stern wieder darauf aufmerksam.

An 'Don Quixote' habe ich schon eine etwas ausführlichere PN geschickt, aber er meinte, ich soll die Geschichte auch hier für alle eintragen.

Viele Grüße
Jessy

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DonQuixote
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Re: Unsere Geschichte

Beitragvon DonQuixote » 8. August 2014, 21:55

Ja, Jessy

Danke, dass Du das so gemacht hast. Ich bat Dich darum, es hier in „Mitglieder stellen sich vor“ einzustellen, weil wir uns wünschen, dass möglichst viele solcher Berichte öffentlich lesbar sind. Möglichst viele Leser sollen von solchen Suchtkarrieren und dem Willen zum Ausstieg erfahren.

Ich möchte ganz offen zu Dir sein. Eine solche Schwere der Sucht, prekäre persönliche Verhältnisse und ausgeprägte psychische Begleiterkrankungen, machen es auch einer Baclofen-Therapie nicht leicht. Wichtig ist, dass bei Deinem Sohn ein echter Wunsch zu einer Veränderung besteht. Aber das ist ja so. Und dann ist auch sehr wichtig, dass er für sein Leben noch Perspektiven sieht, oder sie fortan aufbaut und festigt. Ohne das wird es sehr schwierig.

Baclofen ist keine „Zauberpille“, erwartet also keine sofortigen Wunder, aber Ihr solltet es unbedingt versuchen! Baclofen ist nach allem was wir wissen, derzeit das beste Medikament zur Behandlung der Trunksucht. Gebt die Hoffnung nicht auf. Arztvorschläge für Deine Region erhältst Du in Kürze per Mail.

Euch ganz viel Kraft wünscht DonQuixote
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GoldenTulip
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Re: Unsere Geschichte

Beitragvon GoldenTulip » 9. August 2014, 05:54

Hallo Jessy,

es klingt, als wäre Dein Sohn recht isoliert?! Da müsste doch dringend irgendwie Internet her, damit er wieder soziale Anbindung bekommt und sich, egal wie eingeschränkt er ist, sich um sich selbst kümmern kann.
Du kannst ja schlecht auf Dauer sein Sprachrohr sein und ihm alles abnehmen.
Das ist wirklich nicht böse gemeint, nur Hilfe zur Selbsthilfe fände ich gut, dann bekommt er wieder Selbstbewusstsein und Handlungsspielraum.

Ohne Eigeninitiative wird das sonst eh nichts, oder?

Internetanschluss organisieren, dann weiter mit Bac, so würde ich das angehen.

Lieben Gruß
Conny
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Re: Unsere Geschichte

Beitragvon Jessy » 9. August 2014, 13:26

Hallo Conny,

ihm Internetanschluss zu ermöglichen ist so gut wie ausgeschlossen. Den letzten PC vor Jahren hat er zerstört u. weggeworfen, nachdem er nicht so funktionierte wie Herr Ungeduld es wollte. Er will so etwas nicht.

Aber du irrst total, wenn du denkst, ich nehme ihm alles ab und bin sein Sprachrohr. Definitiv schon lange nicht mehr!

In den ersten Jahren haben wir uns intensiv gekümmert, alles versucht was in unserer Macht stand, ja uns selbst an den Rand der Verzweiflung gebracht. Was wir in der Zeit durchgemacht haben wünsche ich niemandem.

Schließlich haben wir uns dann aus gutem Grund schon vor vielen Jahren räumlich weit voneinander getrennt. Dass ich ihn zum letzten Mal gesehen habe ist mehr als 15 Jahre her. Er muss seinen Alltag und alles selbst bewältigen. Wie du unschwer ausrechnen kannst, bin ich nicht mehr die Jüngste und selbst von schwerer Krankheit betroffen.
Wir halten nur noch telefonisch lockeren Kontakt.

Ich kann ihm nur die Adressen vermitteln, da er eben in letzter Zeit einige Male den Ausstieg vergeblich versucht hat, und uns am Telefon davon freudig berichtet hat. Das ist neu! Leider schafft er es aber offensichtlich doch nicht. In eine Entzugsklinik würde er niemals freiwillig gehen. Als wir ihm am Telefon von einem Medikament erzählten, das gegen die Sucht helfen könnte war er sehr interessiert, wollte mehr darüber wissen. Deshalb würde ich ihm gerne Arztadressen an die Hand geben, was er daraus macht ist dann seine Sache.

Ja er ist sicher sehr isoliert, aber das ist das Resultat seines Verhaltens unter Alkoholeinfluss. Das kann er langfristig nur selbst ändern.

Viele Grüße
Jessy

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Re: Unsere Geschichte

Beitragvon GoldenTulip » 9. August 2014, 13:40

Liebe Jessy,

das war bestimmt nicht vorwurfsvoll gemeint. Ich kann mir so überhaupt nicht vorstellen, wie das alles ohne PC gehen soll, seien es Informationen, Austausch usw.

Ist es denn so, dass er heute den Rechner immer noch aus dem Fenster schmeißen würde? Hast Du ihn mal gefragt?
Klar, manche mögen diesen neumodischen Krams einfach nicht [biggrin]

Das Hauptproblem sehe ich darin, dass man Bac eben nicht "beifüttern" kann, und Heilung als Selbstläufer zu erwarten ist; aber wenn Dein Sohn grundsätzlich interessiert ist, stehen die Zeichen ja nicht schlecht.
Was ist, wenn er überfordert ist mit der Dosierungshöhe, weiterhin trinkt etc. Ich will Dir keine Angst machen und die Hoffnung schrumpfen, mir scheint jedoch, dass er dann in erhöhtem Maß Begleitung brauchen könnte. Hat er denn Freunde vor Ort, mit denen Du Dich kurzschließen könntest und mitbekommst, was da bei ihm abgeht?

Ach Mensch, es tut mir Leid für Dich, selbst krank und dann diese Sorgen ist ganz schön heavy.

Du bist jedenfalls auch als Angehörige hier am richtigen Platz, wenn Du Unterstützung brauchst,

lieben Gruß
Conny
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Re: Unsere Geschichte

Beitragvon Jessy » 9. August 2014, 21:33

Hallo,

nein, du hast nichts geschrieben, was ich als Vorwurf auffassen würde, keine Sorge. So empfindlich bin ich nicht :wink:
Ich weiß, für die meisten Menschen ist ein Leben ohne INet gar nicht mehr vorstellbar, zumal auch für mich trotz hohem Alter. Aber bei ihm ist das anders. Ich glaube, er hat vor vielem auch Angst.

Ich habe vor, ihm Artikel über Baclofen auszudrucken und zuzuschicken, dass er sich etwas informieren kann. Ein Buch liest er sicher nicht, ist ihm zu viel. Auch darf in den Infos nicht zu viel über Nebenwirkungen stehen, sonst wird er gleich ganz abgeschreckt.
Der Arzt wird ihn ja ohnehin auch aufklären zu Wirkung und Nebenwirkung des Medikamentes.

Nein Freunde in dem Sinn hat er nicht, nur eben diese fragwürdigen Bekannten, die auch alkoholabhängig und ganz unten sind - niemand, der sich notfalls um ihn kümmern würde. Ist natürlich auch nicht ideal, neue Medikamente einzunehmen und ganz allein zu leben, ich weiß. Geht aber nicht anders.

Mal sehen wie er sich entscheidet. Momentan kann er wegen seiner Verletzung ja nicht aus dem Haus, er kann sich also in Ruhe überlegen, ob er es wagt, die Behandlung anzugehen.

Wie sieht es eigentlich mit den Kosten aus? Da es sich um ein für diesen Zweck nicht zugelassenes Medikament handelt wird die Krankenversicherung wohl auch nicht dafür aufkommen?

Viele Grüße
Jessy

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Re: Unsere Geschichte

Beitragvon DonQuixote » 9. August 2014, 23:26

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Re: Unsere Geschichte

Beitragvon GoldenTulip » 10. August 2014, 07:24

Wobei man bei der Rechnung nicht vergessen sollte, welche Summen man bei einer erfolgreichen Therapie durch den Wegfall des Alkohols einspart....
Je nachdem was und wieviel konsumiert wurde, kommt man da auch gern mal ins Plus unterm Strich [cool]

LG Conny
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Re: Unsere Geschichte

Beitragvon gretikatz » 10. August 2014, 10:25

Liebe Jessy,

auch Angehörige sind in diesem Forum willkommen!
Ungeduld und Aggression kenne ich ebenfalls aus meiner Alk-Zeit: Bei mir musste ein Video-Rekorder daran glauben, weil er nicht so tat, wie ich wollte. Ein PC ist teurer!
Bitte berichte, wie es weitergeht!

LG gretikatz

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Re: Unsere Geschichte

Beitragvon Jessy » 10. August 2014, 17:47


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Re: Unsere Geschichte

Beitragvon gretikatz » 11. August 2014, 23:24


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Re: Unsere Geschichte

Beitragvon DonQuixote » 12. August 2014, 00:21

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Re: Unsere Geschichte

Beitragvon Jessy » 12. August 2014, 13:13

Hallo,

ja wenn du das so beschreibst ist es klar. Aber in den Berichten werden die Nebenwirkungen so trocken aufgezählt ohne Erklärung dabei. Das macht natürlich Angst.

Heute habe ich meinen Sohn angerufen, habe ihm von Baclofen erzählt. Aber er ging gleich wieder auf Abwehr, dachte ich möchte ihn bedrängen. Er würde ja gar nicht viel trinken, nur sein Bier, was in Bayern schließlich als Grundnahrungsmittel zählt.... die alten Sprüche halt.
Aufgehorcht hat er, als ich ihm sagte, man müsse nicht schlagartig aufhören zu trinken, sondern könne auch allmählich reduzieren.
Ich habe ihm nun doch nur den Artikel vom Stern zugeschickt und die Arztadressen. Was er daraus macht - man wird sehen.

Mehr kann ich nicht tun.

Viele Grüße
Jessy

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Re: Unsere Geschichte

Beitragvon GoldenTulip » 12. August 2014, 20:38

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Re: Unsere Geschichte

Beitragvon Jessy » 13. August 2014, 12:46

Danke! zusätzliche Infos kann ich ihm dann noch schicken, wenn er jetzt darauf interessiert reagiert. Mal abwarten, heute oder morgen wird er die Post bekommen.
Bei den zusätzlichen Infos darf nur nicht allzuviel von Nebenwirkungen drin stehen, sonst bekommt er es mit der Angst. Er hat doch mit mehr oder weniger zwangsweise zugeführten Psychopharmaka wirklich zu viel Schreckliches erlebt.

Über Dosierung und Einschleichen weiß ich ziemlich Bescheid, und habe ich hier auch schon viel gelesen.

Viele Grüße [hi_bye]
Jessy


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