Bianca aus Frankreich

Es wird eigentlich erwartet, dass sich Mitglieder vorstellen und ihre Lebensumstände schildern, damit die anderen in Etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben und ihm dann auch besser helfen können.
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Bianca
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Bianca aus Frankreich

Beitragvon Bianca » 14. Januar 2014, 21:02

Vorletzte Nacht habe ich so viel in eurem Forum gelesen, dass ich die Maus nicht mehr halten konnte.
Einige Geschichten haben mich sehr erschüttert und ich dachte, ich kann hier nicht mit meiner blöden Geschichte ankommen- aber- warum eigentlich nicht? Es ist immer bereichernd, zu lesen, was alles die verschiedenen Personen zum Alkoholismus führen kann -

Bei aller Dramatik habe ich doch bei dem Satz einer Userin Tränen gelacht. Sie schrieb, dass sie sich nicht mehr vor dem Altglascontainer schämen wollte. Na das sprach mir doch aus der Seele. Ich verteile immer meine Flaschen auf mehrere Altglascontainer, damit keiner einen Kater kriegt...

Ich werde heute meine Geschichte nicht erzählen, da ich gestern die Nachricht von einem Todesfall erhielt und morgen in ein 2000 km entferntes Land reisen muss für ca. 2-3 Wochen. Wenn ich wieder zurück bin, kommt aber die Geschichte.

Inzwischen nur so viel:
Obwohl Olivier Ameisen aus meinem Land stammt, gibt und gab es gerade in Frankreich immense Widerstände gegen das Verschreiben dieses Medikaments. Das lag u.a. auch daran, dass es bei uns ja vor kurzem den Mediator-Skandal gegeben hat. Da stehen die praktischen Ärzte bis heute unter Schock. Am 3. Juni 2013 war dann diese berühmte Versammlung in Frankreich, die sozusagen grünes Licht für Baclofen gab, und seither verschreiben es auch die praktischen Ärzte. Ich bekam dann Baclofen am 12. Juni 2013- natürlich viel zu wenig. Bei uns existieren nur Tabletten zu 10 mg. Ich habe unter 6 Tabletten keinen Effekt gespürt, mich selbst raufdosiert, und dann den berühmten "Flash" gehabt, über den ich in Euren Beiträgen auch gelesen habe. Ich habe aber dabei keinen Alkohol getrunken. Bei uns heißt dieser euphorische Zustand "Hypomanie"- es ist wundervoll. Man kriegt einfach alles auf die Reihe, erledigt Dinge, die seit Jahren liegengeblieben sind, findet alles wieder, was man verloren hat, und strotzt nur so vor Selbstwertgefühl und Sozialkontakten. Leider hat diese euphorische Phase (ganz am Anfang meiner Behandlung- mit 6 Tabletten à 10 mg) nur ca. 3 Wochen lang angehalten. Ich wurde dann hochdosiert (in der Psychiatrie, weil mein praktischer Arzt sich nicht traute) auf 10 Tabletten und dann hab ich mich selbst auf 12 dosiert- aber es war nicht genug für mich im Sommer. Ich konnte dazu immer noch Alkohol trinken, wenn auch sehr viel weniger. Aber es ist nicht gut. Alkohol macht das gute Gefühl, das das Baclofen schafft, einfach gleich wieder zunichte.
Das gilt auch für die Benzodiazepine, auf die ich leider auch seit 17 Jahren süchtig bin. Zur Zeit habe ich immer noch Oxazepam. Ich hatte 200 mg, d.h. vier Tabletten à 50 mg. Das wird in Frankreich generell bei Alkoholentzug verschrieben, eben, um das Delirium Tremens zu vermeiden und die Entzugserscheinungen zu lindern. Leider kommt man dann aber ein Leben lang von dem Benzo nicht mehr los!
In meiner Hypomanie im Juni/Juli habe ich innerhalb von einer Woche von 4 Oxazepam auf 2,5 Oxazepam runterdosiert, so gut war ich drauf, und denke, man kann das Baclofen auch zum Benzo-Entzug verwenden.
Es hilft überhaupt gegen vieles. Es hilft gegen einige Arten von kompulsivem Gebaren- ich kann aus eigener Erfahrung sagen, es hilft auch gegen kompulsives Kaufen von Büchern über Internet und gegen Nägelkauen und gegen das Essenwollen zwischen den Mahlzeiten (in Frankreich isst man ja noch zu regelmäßigen Zeiten und nicht dazwischen.)
Ich habe wieder eine gute Figur bekommen, seit ich das Baclofen nehme.
Das Leben wird aber so drastisch, wenn man alles so klar sieht---
Was mir dann noch alles passiert ist, werde ich später erzählen, wenn ich von meiner Reise zurück bin.
Inzwischen nehme ich 16 Baclofen (160 mg)- das Leben ist aber trotzdem schwer, Depressionen und Ängste habe ich trotzdem. Nur der Alkohol hilft dagegen überhaupt nicht mehr (ich habe es mehrmals probiert). Der Alkohol auf Baclofen wirft mich nur umso tiefer ins schwarze Loch. Es macht also überhaupt keinen Sinn mehr. Und die Benzos vertragen sich auch nicht mit Baclofen, sie schwächen seine Wirkung.
Ich las auch einen interessanten Beitrag über die Wirkung von Baclofen auf den Gaba-B-Rezeptor, während Alkohol und Benzos und Opiate (in Schmerzmitteln wie Tramadol und Paracetamol mit Codein)- auf die ich natürlich auch süchtig war wegen ihrer euphorisierenden Wirkung- auf den Gaba-A-Rezeptor wirken. Ich habe drei Jahre lang Psychologie studiert und in Neurosciences lernten wir genau die Wirkung der Medikamente auf die Synapse und alles über die Rezeptoren. Das war überhaupt mein Lieblingsfach.
Baclofen ist aber kein endogener (vom Körper selbst hergestellter) Neurotransmitter (Botenstoff), (wie zum Beispiel Serotonin oder Dopamin) es ist auch nur ein synthetisches Molekül- aber da es auf den Gaba-B-Rezeptor wirkt und nicht auf den A, den wir alle gewöhnt sind, ist die Wirkung ganz anders und niemand braucht sich davor zu fürchten, dass es eine Droge werden kann. Den "Flash" gibt es auch nicht, wohl aber diese euphorischen Perioden, die sich aber auch einfach einstellen können, wenn man nur mal mit dem Alkohol aufhört, der ja ein Depressivum ist, wie auch auf Dauer die Benzos und das Nikotin.
Mir geht es noch nicht total gut. Ich muss ja nicht nur den Alkohol aufhören, sondern auch die Benzos und die Opiate und noch eine Sucht, über die ich dann aber in einem nächsten Beitrag mehr schreiben werde und die meinem- nunmehr 30 Jahre andauernden- Alkoholismus zugrunde liegt. Und ich muss- wie wohl alle, die hier im Forum sind- so vieles in meinem Leben reparieren jetzt- mit fast 50 Jahren.
Ich hatte auch die Phase, wo ich vor Wut nur noch weinte, weil ich 30 Jahre meines Lebens verschwendet habe, und dem Psychiater Vorwürfe machte, dass er den Grund meines Alkholismus nicht schon vor 10 Jahren gefunden hat. Aber was klage ich? Viele finden den Grund überhaupt nicht. Auf einem anderen Forum hat man mir sogar geschrieben, es gibt gar keinen Grund, es ist einfach ein Gen. Daran ist sicher etwas Wahres. In meiner Familie sind so viele betroffen, und wer kennt schon DEN GRUND?
Ich freue mich auf Diskussionen, wenn ich dann erst mal die Quintessenz meiner Geschichte erzählt habe, wenn ich von dieser beängstigenden Reise zurück bin. Bis dahin bitte um Geduld- es kann ein paar Wochen dauern, aber dann bin ich bestimmt wieder da. In dem anderen Forum hat meine Geschichte bisher noch niemand verstanden- also werde ich es demnächst hier versuchen.
Bis dann also
und danke für Eure Geduld.

Bianca

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DonQuixote
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Re: Bianca aus Frankreich

Beitragvon DonQuixote » 15. Januar 2014, 06:20

Bonjour Bianca

Danke für Deinen sehr ausführlichen Bericht. Ich kann es Dir leider  nicht gleich tun, denn ich habe nur grad ein kleines Tablet zur Verfügung, ohne vernünftige Tastatur. Demnächst also mehr, wenn ich wieder meine ganze Ausrüstung zur Verfügung habe.

Und Ja, ich habe alles sehr gut verstanden. Sehr interessant sind auch Deine Schilderungen der "französischen Umstände", darauf werde ich bestimmt dann noch eingehen.

DonQuixote mit der merdigen Tastatur [crazy_pilot]

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Re: Bianca aus Frankreich

Beitragvon WilloTse » 15. Januar 2014, 09:08

Hi Bianca und Herzlich Willkommen!

Alles Gute auf Deiner nicht ganz einfachen Reise, ich bin gespannt auf Deine weiteren Berichte!
Bianca hat geschrieben:Ich konnte dazu immer noch Alkohol trinken, wenn auch sehr viel weniger. Aber es ist nicht gut. Alkohol macht das gute Gefühl, das das Baclofen schafft, einfach gleich wieder zunichte.

Ich glaube, das kann man nicht oft genug sagen. Sicherlich bin ich durch meine eigene Geschichte da geprägt, aber ich persönlich hätte mir zwei Jahre Eiertanz mit Dutzenden von Rückschlägen und -fällen sparen können, wenn ich nicht dieser Idee des "Moderaten Trinkens" aufgesessen wäre. Möglich, dass es einigen wenigen gelingt, aber für die große mehrheit ist es doch nur ein Spiel mit dem Feuer.

Da verweise ich mal wieder auf @Papfls Faden: Wozu?

LG und einen schönen Tag allen Mitlesern

Willo

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Re: Bianca aus Frankreich

Beitragvon DonQuixote » 15. Januar 2014, 10:54

Re-Bonjour, jetzt auch wieder im Vollbesitz meiner PC-Kräfte :wink:

Ich bin überzeugt, dass der Mediator-Skandal, der in Frankreich sehr hohe Wellen warf, von Kreisen, die von Baclofen zur Behandlung von Alkoholismus ohnehin nichts wissen wollten, lediglich vorgeschoben war. Für die Journaille war das natürlich ein gefundenes Fressen, durften sie doch lustvoll mit ihren Feuerhaken wieder in der noch eitrigen Wunde der Pharmakonzerne und der Mediziner herumstochern. So kam eins zum anderen und Baclofen wurde als „gefährlich“ und „unberechenbar“ hingestellt. Nüchtern betrachtet sind jedenfalls potentieller Nutzen sowie Risiken und Nebenwirkungen der beiden Medikamente nicht im Entferntesten vergleichbar.

DonQuixote

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Re: Bianca aus Frankreich

Beitragvon Suse » 16. Januar 2014, 01:41

Hallo Bianca,

Alles gute auf dieser schweren Reise und sowieso. Ich freue mich auf den Austausch in der Zukunft!

Lg suse
Früherer Name: Desperatio

Plötzlich konnte ich sehen und ich war froh. Doch was ich sah, gefiel mir nicht. Ich lerne, neu zu sehen. Suse


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