Hilfe für meinen Vater

Es wird eigentlich erwartet, dass sich Mitglieder vorstellen und ihre Lebensumstände schildern, damit die anderen in Etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben und ihm dann auch besser helfen können.
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Arvall
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Hilfe für meinen Vater

Beitragvon Arvall » 13. September 2017, 11:49

Hallo zusammen,

Mein Vater (Alkoholiker seit 20-30 Jahren) hat sich in Frankreich Baclofen verschreiben lassen. Allerdings weiß er jetzt natürlich nicht, was er damit anfangen soll, und sein Hausarzt ist da nicht wirklich eine Hilfe. Außerdem müsste er eigentlich erstmal eine stationäre Entgiftung durchführen, aber findet immer wieder Gründe, weshalb er es "momentan" nicht machen kann. Ich dachte zuerst, ihn stört seine Sucht nicht weiter und wenn er dabei drauf geht, ist es ebenso. Aber dass er sich jetzt doch Tabletten geholt hat und sogar beim Arzt war (!) zeigt mir, dass es ihm vielleicht doch nicht so egal ist. Sobald ich oder meine Mutter allerdings versuchen das Thema anzusprechen, ist es wie gegen eine Wand zu reden. Vielleicht habt ihr ja Tipps für mich, wie ich vielleicht zu ihm durchdringen kann.

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DonQuixote
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Re: Hilfe für meinen Vater

Beitragvon DonQuixote » 14. September 2017, 21:02

Hallo Arvall

Herzlich willkommen in unserem Forum, und Danke, dass Du dich uns anvertraust.

Arvall hat geschrieben:Mein Vater (Alkoholiker seit 20-30 Jahren) hat sich in Frankreich Baclofen verschreiben lassen. Allerdings weiß er jetzt natürlich nicht, was er damit anfangen soll, und sein Hausarzt ist da nicht wirklich eine Hilfe.

Welchen Hausarzt meinst Du? Den Französischen, der Deinem Vater Baclofen verschreibt, oder Deines Vaters „normaler Deutscher Hausarzt“? Alle Fragen, oder zumindest sehr viele, könnte jedenfalls schon mal unser „Baclofen-Leitfaden“ beantworten.

Die besten Erfolge erzielt man mit Baclofen, wenn man abstinent beginnt. Wer das nicht schafft, kann auch - vorausgesetzt, der tägliche Alkoholkonsum ist nicht zu hoch, zweigleisig fahren. Das heißt, den Alkohol langsam ausschleichen und Baclofen parallel dazu langsam gemäß Leitfaden für die Anwendung bzw. den auf die jeweilige Tablettenstärke zugeschnittenen Dosierungstabellen hier im Forum einschleichen. Bitte den Alkohol nicht abrupt absetzen, da dies gefährlich sein kann (Stichworte: Krampfanfall, Delir).

Generell gilt: Baclofen langsam in kleinen Schritten in Anlehnung an den Leitfaden für die Anwendung oder die auf die jeweilige Tablettenstärke zugeschnittenen Dosierungstabellen hier im Forum aufdosieren, bis erste Nebenwirkungen auftreten oder das Craving verschwindet. Die Nebenwirkungen sind häufig "nur" erhöhte Müdigkeit oder ein bisschen "Neben-Sich-Stehen"...also nichts Weltbewegendes.

Dann auf dieser Stufe (bei der die ersten Nebenwirkungen aufgetreten sind) verharren. In der Regel verschwinden die Nebenwirkungen nach wenigen Tagen wieder. Besteht nach wie vor Craving ("Trinkverlangen"), dann sollte die Dosis - nachdem die Nebenwirkungen abgeklungen sind - langsam weiter gesteigert werden, bis erneut Nebenwirkungen auftreten. Dann wieder innehalten und so weiter [schritte] .

Irgendwann kommt man an einen Punkt, an dem die Nebenwirkungen auch nach ein oder zwei Wochen nicht mehr verschwinden. Etwas unterhalb liegt dann die ideale individuelle Erhaltungsdosis. Im Idealfall pendelt es sich so ein, dass man bei der idealen persönlichen Erhaltungsdosis kein oder kaum Craving ("Trinkverlangen") und keine oder kaum Nebenwirkungen hat.

Baclofen ist natürlich keine Wunderpille, die man schluckt und alles wird von alleine gut. Das Medikament kann aber die ständigen Gedanken an Alkohol und das unbändige Verlangen, das über kurz oder lang dazu führt, dass Betroffene wieder zur Flasche greifen MÜSSEN, eindämmen.

Die Idee, die hinter der Baclofen-Therapie steht, ist

a) über die "Beruhigung" der GABA-B-Rezeptoren langfristig einen ausgeglichenen, entspannten, relaxten Zustand herzustellen, damit extreme Stress-Situationen, Spannungen, Ängste und Verstimmungen, die einen zur Flasche greifen lassen, gar nicht erst aufkommen und

b) das körperliche Verlangen nach Alkohol (physisches Craving) einzudämmen, um die zwanghafte Komponente des abhängigen Trinkens ein Stück weit auszuschalten.

Baclofen schlägt einem das Glas also nicht einfach so aus der Hand, aber es kann Betroffenen die Entscheidungsfreiheit zurückgeben: Im Idealfall MUSS man nicht mehr zwingend trinken, weil man gegen das Verlangen machtlos ist. Man KANN sich wieder frei entscheiden, ob man trinken möchte, oder ob man es lieber lässt. Stattdessen braucht es dann natürlich andere Alternativen, die einem das geben, was bislang der Alkohol geleistet hat. Belohnung, Entspannung, "Kicks", "Glücksgefühle", Hemmungslosigkeit, Ausschalten von Ängsten, etc...Alkohol kann viele Funktionen übernehmen.

Das ist dann die eigentliche "Arbeit an sich selbst", an der über kurz oder lang niemand vorbei kommt. Dafür kann Baclofen den Kopf frei machen - nicht mehr, aber auch nicht weniger [smile] .

Näheres zum Thema Craving und der Wirkungsweise von Baclofen findest Du hier. Was die Baclofen-Therapie von der traditionellen Suchttherapie unterscheidet, wird hier erklärt. Ganz interessant ist auch die Erklärung, warum Baclofen kein Alkoholersatz ist.

Einen ersten Überblick rund um das Medikament bietet unsere Rubrik Baclofen erste Schritte, konkreter im Baclofen-Arztkoffer und Alles Wichtige auf einen Blick. Genaueres zur Dosierung und Therapie findest Du im Leitfaden für die Anwendung oder in den auf die jeweilige Tablettenstärke zugeschnittenen Dosierungstabellen hier im Forum.

Lesenswert und aufschlussreich ist auch der Artikel "Ist Alkoholsucht doch heilbar?", den man auch online im PTA-Forum finden kann. Und natürlich das Buch "Das Ende meiner Sucht" von Olivier Ameisen. Der Kardiologe Olivier Ameisen war selbst betroffen und hat Baclofen als Therapieoption bei Abhängigkeitserkrankungen (wieder)entdeckt. Das Buch ist spannend zu lesen! Du kannst die E-Book-Version des Buches auch kostenlos über dieses Forum "ausleihen". Bei Interesse schreibe mir bitte einfach eine entsprechende PN (Private Nachricht)

Wir führen eine Liste mit rund 100 Ärzten in ganz Deutschland, welche der Baclofen-Therapie aufgeschlossen gegenüber stehen. Wenn Dein Vater also einen solchen Deutschen Arzt sucht, dann schreibe mir doch ganz diskret per PN (Private Nachricht) wo Dein Vater wohnt. Dann kann ich raussuchen, welcher Arzt in seiner Region in Frage kommen könnte.

Arvall hat geschrieben:Vielleicht habt ihr ja Tipps für mich, wie ich vielleicht zu ihm [meinem Vater] durchdringen kann.

Dass Dein Vater bei einem Arzt war und sich Baclofen verschreiben ließ, zeigt ja schon mal, dass er (Dein Vater) zumindest ein Problem bei sich vermutet. Und das ist ein gutes Zeichen, ja eigentlich Voraussetzung für jegliche erfolgreiche Suchttherapie. Aufmerksam machen möchte ich da auch auf unseren „Arztkoffer“. Dort gibt es allerlei weitere Dokumente, welche Du Deinem Vater in einem „günstigen Moment“ zum Lesen und als Motivationshilfe vorlegen könntest. Krankheitseinsicht und Motivation müssen aber letztendlich von Deinem Vater selbst ausgehen, ohne das geht es nicht. Aber unterstütze ihn unbedingt dabei [good] .

Rät DonQuixote

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Re: Hilfe für meinen Vater

Beitragvon Arvall » 27. September 2017, 16:38

Vielen lieben Dank, DonQuixote! Ich werde das alles mal zusammen mit meinem Vater durchgehen und ihm natürlich helfen wo ich kann :) . Das mit dem "nicht hilfreichem Hausarzt" war auf seinen deutschen "alltags" Hausarzt (typischer Kleinstadtarzt) bezogen. Er kennt sich damit einfach nicht gut genug aus, wie er (der Arzt) auch selbst zugegeben hat.


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