hallo in die Runde

Es wird eigentlich erwartet, dass sich Mitglieder vorstellen und ihre Lebensumstände schildern, damit die anderen in Etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben und ihm dann auch besser helfen können.
Benutzeravatar

Thread-Starter
Lago
Beiträge: 4
Registriert: 12. April 2016, 17:50
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

hallo in die Runde

Beitragvon Lago » 19. April 2016, 20:49

Hallo zusammen,

Ich bin etwas aufgeregt, denn jetzt liegt sie vor mir, die erste Packung Baclofen. Am liebsten würde ich gleich anfangen und die erste Dosis zum Mittag nehmen, aber ich weiß dass der Hase so nicht läuft und man das Ganze bedacht und in Ruhe angehen muss.

Ein Trinkbedürfnis habe ich momentan sowieso gerade noch nicht, weil ich von gestern (9 Bier) noch etwas lädiert bin. Das Verlangen kommt meist gegen Abend so ab 18:00 oder wenn ich nichts mehr zu tun habe.
Da ich auch später noch einen Termin habe und nicht weiß, wie ich Baclofen vertrage will ich sowieso kein Risiko eingehen. Mein Plan ist es mit 3* 5 mg einzusteigen und mich, dann anhand des Leitfadens und meines Körpergefühls zu steigern. Den Alkohol resp. Bier versuche ich von Anfang an komplett wegzulassen. Ich tue mich etwas schwer mich mit meinem Alkohol- und sonstigen Problemen zu outen, auch wenn das Internet ja quasi anonym ist. Aber was soll´s...

Ich bin 33 Jahre alt, studiere noch in meinem Zweitstudium, aber nicht mehr lange, arbeite halbherzig an meiner Doktorarbeit und in letzter Zeit hat der Alkohol ziemlich überhand genommen. Mit Anfang meiner Zwanziger und zu Beginn meiner Studienzeit hatte ich noch einen recht sorglosen Umgang mit Alkohol. Ich habe sowohl in Gesellschaft als auch abends alleine gerne getrunken, allerdings habe ich mir an manchen Tagen auch gedacht, dass es irgendwann zu einem Problem werden könnte. Mit 21 Jahren habe ich dann in einer sehr stressigen privaten Zeit und wohl aus einer persönlichen Vulnerabilität heraus eine soziale Phobie entwickelt. Daraus hat sich, dann die unglückselige Verbindung Angst und Alkohol ergeben. Ich habe Alkohol immer häufiger eingesetzt, um in Gesellschaft oder alleine entspannen zu können, Urlaub vom ich zu haben weil das mit der Angststörung nüchtern irgendwie nicht mehr gelang.

Ich glaube so ab 26 habe ich bemerkt, dass es mir sehr schwer fällt wieder mit dem Trinken aufzuhören,sobald ich das erste Glas Bier intus hatte und, bzw. das ist erst gar nicht vorgekommen. Meist lief es darauf hinaus, dass ich an zwei oder drei Tagen trank, dann zwei Tage nicht, um mich zu erholen und sobald es mir besser ging wieder angefangen habe. Leider hat der Kater bei mir die unglückselige Angewohnheit meine Ängste, die mich sowieso ständig begleiten massiv zu verstärken. Meine Versuche auf Alkohol zu verzichten waren bisher nicht von Erfolg gekrönt, mal war es eine Woche, mal zwei und einmal vor 2,5 Jahren mit Biegen und Brechen ein Monat. Ich hoffe, dass Baclofen bei mir mit etwas Glück ebenfalls eine anxiolytische Wirkung entfaltet und mir hilft erstmal nichts zu trinken und mein Leben etwas zu ordnen. Jetzt bin ich erst mal hier und werde berichten :)

Benutzeravatar

Papfl
Beiträge: 2509
Registriert: 28. Juli 2012, 14:25
Hat sich bedankt: 284 Mal
Danksagung erhalten: 736 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

Re: hallo in die Runde

Beitragvon Papfl » 19. April 2016, 22:35

Hallo Lago!

Herzlich willkommen im Forum [hi_bye] . Schön, dass Du da bist [smile] !
Hört sich gut an, wie Du mit der Baclofen-Therapie beginnen möchtest [good] . Wenn möglich ohne parallelen Alkoholkonsum und die Dosierung angelehnt an das Schema im Leitfaden für die Anwendung - das sind die besten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start. Der "Königsweg" sozusagen.

3 x 5 mg im Abstand von +/- 4 Stunden ist okay am Anfang. Solange Du keine unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAWs) hast, kannst Du dann alle 3-5 Tage um 5 mg erhöhen. Also 5-5-5, dann 10-5-5, dann 10-5-10, dann 10-10-10 und so weiter. Du kannst die höhere Ration auch abends nehmen, wenn das Deine Haupt-Trinkzeit war, also 5-5-10. Musst halt ein bisschen probieren, wie's für Dich am besten passt. Die Dosierungstabellen aus dem Leitfaden haben wir übrigens im Forum auch nochmal zusammen gestellt, zugeschnitten auf die Tablettenstärke (10 mg oder 25 mg). Du findest sie hier.

Du kennst Dich ja bereits ganz gut mit Baclofen aus, Dein Posting liest sich jedenfalls so [smile] . Von der anxiolytischen ("angstlösenden") Wirkung des Medikaments profitieren in der Tat viele Patienten. Oft wird Alkohol als "Medizin" gegen die Angst benutzt, und schon Olivier Ameisen schrieb in seinem Buch "Das Ende meiner Sucht":

Olivier Ameisen hat geschrieben:Mein Grundproblem ist nicht der Alkohol, sondern die Angst. Wenn ich die Angst loswerde, werde ich nicht mehr trinken.

Gut möglich, dass es bei Dir ähnlich ist.

Am Anfang ist man immer ein bisschen unsicher, deshalb traue Dich ruhig zu fragen bzw. melde Dich, wenn etwas unklar ist. Bis jetzt haben wir meistens eine Lösung gefunden.

In diesem Sinne: Einen guten Start [clapping] !

Papfl
„Der Hori­zont vie­ler Men­schen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nen­nen sie dann ihren Stand­punkt."
Albert Ein­stein (1879 - 1955)

Benutzeravatar

DonQuixote
Beiträge: 5159
Registriert: 15. Dezember 2011, 14:48
Hat sich bedankt: 713 Mal
Danksagung erhalten: 832 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN
Kontaktdaten:

Re: hallo in die Runde

Beitragvon DonQuixote » 20. April 2016, 20:28

Hallo Lago

Willkommen im Forum. Wünsche ebenfalls guten Start in die Baclofen-Therapie

DonQuixote

Benutzeravatar

Thread-Starter
Lago
Beiträge: 4
Registriert: 12. April 2016, 17:50
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

Re: hallo in die Runde

Beitragvon Lago » 20. April 2016, 21:00

Hallo Papfl,

Danke für die ganzen Infos good . Habe gestern abend mit 5mg gestartet und heute mit 3*5mg fortgesetzt. Bisher habe ich keine relevanten Nebenwirkungen, ich habe gestern nichts getrunken. Heute auch nicht, obwohl die Versuchung da war. Ich habe nach Feierabend noch ein bisschen die Restsonne mit einem Kumpel draussen genossen, Frühlingsstimmung überall in der Luft, das wäre so einer dieser Momente gewesen...Aber ich bin recht motiviert und hab es sein lassen und bin gerade sehr froh drum. Morgen muss ich auch früh raus.
Ich kann nicht wirklich sagen ob ich tatsächlich schon etwas merke, es könnte aber ein subtil beruhigender Effekt da sein. Ich fühle mich gerade gut. Aber was letztendlich zählt ist das Langzeitergebnis.

Beste Grüße und hallo auch @DonQuixote

Lago

Benutzeravatar

Papfl
Beiträge: 2509
Registriert: 28. Juli 2012, 14:25
Hat sich bedankt: 284 Mal
Danksagung erhalten: 736 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

Re: hallo in die Runde

Beitragvon Papfl » 20. April 2016, 22:10

Hi Lago!

Das hört sich doch ganz gut an doppd . Ich hatte seinerzeit auch wenig bis keine Wirkung verspürt, bis ich bei 40 mg/Tag war. Da spürte ich irgendwie eine Veränderung, konnte die aber noch nicht so richtig einordnen. Bei 50 mg/Tag musste ich dann eine Pause einlegen (soll heißen, ich bin ein paar Tage länger bei 50 mg/Tag geblieben und habe nicht weiter aufdosiert), weil ich sehr müde und etwas "dasig" wurde.

Als das vorüber war, bin ich in 5-mg-Schritten noch bis 75 mg/Tag hoch, habe dann aber gemerkt, dass ich so viel eigentlich gar nicht brauche und bin wieder auf die 50 mg/Tag zurück gegangen. Das ist seitdem meine Erhaltungsdosis.

Also: Wenn Du bei 15 mg/Tag noch nichts oder nur wenig spürst...kein Problem! Wichtig ist, dass Du geduldig bleibst bei der Aufdosierung und immer wieder in Dich hinein hörst: Wie ist es um das Craving bestellt? Wie sind die UAWs? Dann wirst Du Schritt für Schritt zu Deiner ganz persönlichen individuellen Dosierung finden. Oder besser: Sie findet Dich!

Das wird schon [smile] !

Papfl
„Der Hori­zont vie­ler Men­schen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nen­nen sie dann ihren Stand­punkt."
Albert Ein­stein (1879 - 1955)

Benutzeravatar

Thread-Starter
Lago
Beiträge: 4
Registriert: 12. April 2016, 17:50
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

Re: hallo in die Runde

Beitragvon Lago » 22. April 2016, 21:56

So ich bin jetzt bei Tag 4 und objektiv betrachtet läuft es ganz gut. Baclofen hat bei mir tatsächlich einen beruhigenden Effekt, normalerweise spüre ich eine ständige innerlich Unruhe, auch wenn ich alleine bin und wenn ich unter Leuten bin eine eine ständige nervöse Übererrgebarkeit, die Ausdruck meiner sozialen Phobie ist.
Der Versuch dem Ganzen und mir selbst in diesem Zustand zu entkommen hat letztendlich zur Eskalation meiner Trinkerei geführt.

Das hat sich seit 2 Tagen deutlich zum Besseren gewendet. Ich war ganz euphorisch als ich festgestellt habe, dass ich plötzlich ganz entspannt mit Leuten zusammen sitzen konnte und dass sich Gelassenheit breit gemacht hat. Zum einen war ich innerlich deutlich ruhiger und ich konnte mich von ängstlichen Gedanken auf einmal distanzieren. Das ist schon toll.

Auch den Wunsch mich zu betrinken, wenn ich heimkomme konnte ich erfolgreich verdrängen. Allerdings habe ich mich gestern dann doch dazu hinreißen lassen 2 0,3 Biere abends mit Freunden zusammen zu trinken. Einerseits schön, dass es dabei geblieben ist, andererseits ärgere ich mich, dass ich meinen Vorsatz der Abstinenz nicht von Anfang an durchgezogen habe. Heute hing ich auch ziemlich in den Seilen und habe eine starke Lustlosigkeit und Frustration verspürt. Vielleicht habe ich mir von Baclofen erhofft plötzlich ein anderer Mensch zu sein. Wunschdenken!

Des weiteren habe ich doch NW feststellen müssen. Der beruhigende Effekt von Baclofen ist schon deutlich, aber ich fühle mich auch leicht in Watte gepackt und muss feststellen, dass es sich auf mein Kurzzeitgedächtnis negativ auswirkt. Ich nehme mir vor irgendwie etwas zu tun und habe es schon Sekunden später wieder vergessen, bis es mir später wieder einfällt. Oder ich gehe in die Küche und mir fällt auf einmal ein, dass ich eigentlich etwas anderes tun wollte. [nea] Normalerweise habe ich ein sehr gutes Gedächtnis und in den letzten vier Tagen habe ich das Gefühl nicht ganz auf der Höhe zu sein. Ich hoffe sehr, dass sich das mit der Zeit wieder einspielt. Weitere nicht so schlimme NW sind, dass ich paradoxer Weise schlechter einschlafe und einen störenden Tremor in der rechten Hand habe ( Nein das kenne ich in der Form nicht, auch wenn ich Trinkpausen eingelegt habe). Ich habe heute mal in den Beipackzettel geschaut und das ist auch unter den unerwünschten Effekten gelistet. Das dürfte nach der Eingewöhnungsphase aber sicher wieder aufhören.

Benutzeravatar

DonQuixote
Beiträge: 5159
Registriert: 15. Dezember 2011, 14:48
Hat sich bedankt: 713 Mal
Danksagung erhalten: 832 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN
Kontaktdaten:

Re: hallo in die Runde

Beitragvon DonQuixote » 22. April 2016, 22:33

Hi Lago

Lago hat geschrieben:Vielleicht habe ich mir von Baclofen erhofft plötzlich ein anderer Mensch zu sein. Wunschdenken!

Wohl wahr. Irgendjemand, war es Dr. Renauld de Beaurepaire (?), schrieb mal so oder ähnlich: „Baclofen ‚heilt‘ nicht die Arbeitslosigkeit, keine Ehekriese oder Liebeskummer und weder Einsamkeit noch das ‚Leiden an sich selbst‘. Aber es verschafft erst mal Befreiung vom Druck, sein Suchtmittel konsumieren zu müssen und erlaubt das nüchterne Reflektieren seiner eigenen Lebenssituation.“

In diesem Sinne: Weitermachen [good] .

DonQuixote

P.S. Die Nebenwirkungen die Du schilderst, insbesondere das gestörte Kurzzeitgedächtnis, sind „normal“. Don’t worry, das vergeht in der Regel recht schnell.

Benutzeravatar

Thread-Starter
Lago
Beiträge: 4
Registriert: 12. April 2016, 17:50
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

Re: hallo in die Runde

Beitragvon Lago » 22. April 2016, 23:15

Hey DonQuixote,

Danke Dir für Deine Antwort, die hat mich gerade echt aufgebaut. good

Tatsächlich sehe ich Baclofen als riesen Chance ein Stück weit aus dem Strudel auszubrechen, um dann Luft zu haben mein Leben anders zu gestalten als bisher. Nur das Wunschdenken war eben auch da...

Dass dabei aufgedeckt wird, was ich die ganzen Jahren unter den Teppich gekehrt habe und ich mich meinen Lebensproblemen und der chronischen Unzufriedenheit stellen muss erscheint unausweichlich. Da hat De B-"irgendwasfranzösiches" :wink: schon sehr recht.

Das heißt: ohne den Alkohol fängt der eigentliche Prozess an zu lernen mit Langweile, Selbstzweifeln und Einsamkeit umzugehen. Bzw. vor allem auch sich Sinn-stiftend neu einzunorden.

Benutzeravatar

Papfl
Beiträge: 2509
Registriert: 28. Juli 2012, 14:25
Hat sich bedankt: 284 Mal
Danksagung erhalten: 736 Mal
Mann oder Frau?: Ich bin ein MANN

Re: hallo in die Runde

Beitragvon Papfl » 23. April 2016, 20:19

Hallo Lago!

Lago hat geschrieben:Das heißt: ohne den Alkohol fängt der eigentliche Prozess an zu lernen mit Langweile, Selbstzweifeln und Einsamkeit umzugehen. Bzw. vor allem auch sich Sinn-stiftend neu einzunorden.

Treffender kann man die zweite Komponente des Cravings, den psychischen Part ("Trinkdrang") kaum beschreiben. Wenn man das physische Verlangen ("Trinkzwang") dank Baclofen einigermaßen im Griff hat, gilt es, neue Trampelpfade zu entdecken. Das ist mitunter anstrengend, kann aber auch ungemein spannend sein. Letztlich sind sie es, die in ein neues Leben führen können. Nicht von heute auf morgen, aber Schritt für Schritt. @Suchtreisender hat das vor kurzem ganz gut auf den Punkt gebracht.

Die Weichen sind gestellt. Ob und wann Du Dich in Bewegung setzen möchtest, liegt ganz bei Dir [smile] .

Papfl
„Der Hori­zont vie­ler Men­schen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nen­nen sie dann ihren Stand­punkt."
Albert Ein­stein (1879 - 1955)


Zurück zu „Mitglieder stellen sich vor“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste