Eure Beiträge bestärken mich in meiner Auffassung, dass SD, TW bzw. Craving unter zwei Aspekten gesehen werden müssen:
1) einem neurobiologischen und
2) einem psychologischen.
Beiden gegenüber sind wir als "an Alkoholabhängigkeit Erkrankte" in gewisser Weise machtlos.
zu 1):
Aus irgendeinem Grund (die Erklärungsversuche werden ja reichlich diskutiert) "funktioniert" bei uns etwas mit den biochemischen Botenstoffen (Neurotransmittern) nicht richtig. Soll heißen, unsere (GABA)Rezeptoren sind nicht aufnahmefähig für die "Signale", die unserem Körper zu Beruhigung, Entspannung, Erleichterung etc. verhelfen. Alkohol kann hier Abhilfe schaffen und die entsprechenden Rezeptoren "richtig" ausrichten. Gott sei' Dank kann Baclofen das auch. Weniger schädlich und ohne signifikantes Suchtpotential
(vgl. auch ). Für diesen "Neurotransmitter-Mangel" in unserem Körper können wir nichts. Und wenn die Rezeptoren nach den gewünschten "Signalen" schreien, müssen sie über kurz oder lang halt irgendwie befriedigt werden. Auf Dauer halten wir das nämlich nicht aus (--> Craving, SD, TW). Baclofen in einer regelmäßigen, kontinuierlichen Dosierung kann hier helfen. Und ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum manche - nachdem sie Baclofen für sich mitsamt einer optimalen individuellen Erhaltungsdosis entdeckt haben - das Medikament partout wieder absetzen wollen. Ist es doch im Vergleich zu allen anderen bekannten Methoden eine elegante Lösung, die bei uns bestehende Stoffwechselstörung zu beheben. Ein Diabetiker setzt sein Insulin doch auch nicht ab...
zu 2):
Alkohol war für die meisten von uns über einen langen Zeitraum hinweg der vermeintliche "Problemlöser Nr. 1". Ob Frust, Enttäuschung, Ängste, Langeweile...nahezu alles wurde dank der Pulle irgendwie erträglich. Das hat unser Körper über die Jahre hinweg gelernt (Stichworte: "Konditionierung", "Suchtgedächtnis"). Viele von uns (mich eingeschlossen) wissen gar nicht mehr (oder wussten es noch nie), wie sie "anders" mit Problemen umgehen sollen. Hier können psychotherapeutische Maßnahmen (Entspannungsmethoden, PMR, Autogenes Training) aber auch Psychoanalyse durchaus hilfreich sein. Manche suchen sich selbst und neue Lösungswege auch im Sprituellen...
Was ich sagen möchte:
Das bisherige Credo in der Suchtbehandlung lautete stets: Abstinenz (was ich nach wie vor für sinnvoll halte) und eine (begleitende) Therapie, in der alternative Strategien zur Problem- und Lebensbewältigung aufgezeigt werden. Das Problem bei diesem Konzept ist aber, dass die ohnehin schon anstrengende und kraftraubende Arbeit an sich selbst mit gleichzeitigem Craving (ausgelöst durch 1) und 2), s. oben) für die meisten schlichtweg zum aussichtslosen Kampf wird (die Rückfallquoten der gängigen Therapien sprechen hier für sich).
Deshalb sehe ich in der Kombination Baclofen (um Craving ausgelöst durch 1) auszuschalten) und Psychotherapie (um Alternativen für 2) zu finden) den besseren und erfolgversprechenderen Weg.
Baclofen abzusetzen in der Hoffnung, dass sich mein Stoffwechsel nach ein- oder anderthalbjähriger Einnahme wieder so normalisiert hat, dass ich keine "künstlichen" Neurotransmitter mehr brauche, ist für mich definitv kein Weg. Warum auch? Dreimal am Tag eine Tablette zu schlucken ist doch nichts im Vergleich zu dem, was ich in meiner "nassen" Zeit alles in Bewegung setzen musste, um immer rechtzeitig und überall genügend Alk parat zu haben. Da versuche ich doch lieber "cravingfrei" (dank Baclofen) ein bisschen was von dem umzusetzen, was ich in meinen Therapien gelernt habe.
Papfl
P.S.: Leider muss ich dafür wohl noch ein bisschen warten...bin gerade bei 70 mg/d (20-15-15-20) und kann noch nicht sagen, dass SD, TW und Craving mich aufgegeben haben...Statistik: Verfasst von Papfl — 24. September 2012, 18:58
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