besstia's Bac-Tagebuch

Eigene Erfahrungsberichte zu Baclofen und Alkohol
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besstia
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besstia's Bac-Tagebuch

Beitragvon besstia » 7. Juli 2016, 19:26

Moin Ihr Lieben,

Seit kurzen bin ich aktiv in dem Forum angemeldet, lese aber schon länger mit. Ich habe mich hier bereits vorgestellt.

Kurz zusammengefasst: Ich bin 39, Juristin und alleinerziehende Mutter einer 9-jährigen Tochter. Wir sind aus Berlin, wohnen aber seit 3 Jahren im hohen Norden. Hier leite ich die nordische Geschäftsstelle des Unternehmens für welches ich arbeite (eine Software-und IT Agentur). Es ist ein Job der zwar Spaß macht - machen kann, aber sehr viel Verantwortung, Führungsqualität, Engament und Präsenz fordert. Ich komme aus einer Familie in welcher Leistungsdruck in Großbuchstaben geschrieben und Erwartungen sehr hoch sind. Wir sind vor vielen Jahren aus Russland emigriert, mein Vater (der in Russland blieb) missbrauchte mich in meiner Kindheit über einige Zeit hinweg.

Ich habe mir im Leben schon immer mit Alkohol geholfen, in der Studienzeit war das alles noch sehr witzig, viele Parties, viel Alk, auch gern Drogen. Irgendwann aber wurde Alkohol zum Werkzeug, einem Mittel gegen Ängste, Unsicherheit, Versagenspanik. Vor 5 Jahren hatte ich einen Burnout, ganz klassisch, und habe mich in einer Kriseneinrichtung behandeln lassen. Danach war wieder gut. Nun seit einem halben Jahr gar nicht mehr. Ich trinke jeden zweiten Tang mindestens 1,5 L. Wein, gern aber auch 2-2,5L oder 7 L. Bier. Harte Sachen trinke ich nicht. Würde es aber, wenn es das einzige wäre, was zuhause da ist, wenn ich mein Craving kriege. Schlimme körperliche Entzugserscheinungen habe ich nicht, kein Zittern oder so. Aber ein Ziehen im Bauch, das mich irgendwann wie ferngesteuert zur Tankstelle fahren lässt. Meine schlimmste Cravingzeit ist Nachmittags gegen 15 Uhr. Hier biegt sich der Schreibtisch vor Arbeit, der Kalender vor Terminen und mir wird bewußt, was ich alles wieder mal nicht geschafft habe. Es ist inzwischen schwierig, mein Konsum zu verstecken, ich lebe in permanenter Angst enttarnt zu werden. Wenn abendliche Veranstaltungen anstehen, ist es ok, wobei es schon auffällt was ich als eine kleine zierliche Frau so alles vertrage. Aber Ihr kennt das alles ja sicher.

Ich bin diesem Forum sehr dankbar, denn auf Baclofen wäre ich sonst nicht gekommen. Nun nehme ich das seit 3 Tagen und möchte mit einbem regelmäßigen Tagebuch anfangen. Mir hat es sehr viel gebracht, Eure Erfahrungsberichte zu lesen.

Ich freue mich auf kommende Gespräche, bin sehr aufgeregt und nervös zugleich. Es geht also los!
Grüße an alle
Besstia
Zuletzt geändert von besstia am 7. Juli 2016, 20:13, insgesamt 1-mal geändert.
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besstia
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besstia's Bac-Tagebuch

Beitragvon besstia » 7. Juli 2016, 19:46

Heut ist der dritte Bac-Tag, ich hole die bisherigen Tage in einem Beitrag nach. Künftig möchte ich versuchen, ähnlich wie Mellchen es gemacht hat, tägliche Berichte zu führen.

Mittwoch Tag 1: 25 mg., nachmittags zerkaut
Alkohol: 0
Stimmung: sehr gut
Craving: sehr stark/nach Bac Einnahme null
Traning:Nein

Heute habe ich meine Bac Tabletten in der Hand gehalten. Ich habe mich recht kurzfristig dazu entschlossen, habe erst letzte Woche davon erfahren. Zum Glück habe ich breits vor 2 Monaten einen Termin in iner psychiatrischen Praxis ausgemacht. Ich leide seit einiger Zeit unter schlimmen Ängsten und Depression, Antidepressiva sollten der Weg sein. Wg. des Termins war ich sehr nervös, da ich die Arztpraxis im Hinblick auf Bac überhaupt nicht einschätzen konnte. Es lief aber wie in dem Nachtrag zu meiner Vorstellung beschrieben:

Bessita hat geschrieben:NACHTRAG: komme gerade von dem Arzttermin: Unfassbar, ich habe Baclofen sofort bekommen ohne auch nur ein Wort zu den Gründen sagen zu müssen. Die Psychiaterin fragte mich nur "Welche Medikamente wollen Sie?". Ich dachte dann zum Teufel mit dem "Arztkoffer" und guter Vorbereitung und sagte schlicht "Baclofen 25 mg 100 Stk, ich werde auch Folgerezepte benötigen". Schwups, genickt und ausgestellt, gleich 2 x 100 Stk. Da ich zudem Ängste und Schlafstörungen habe, bat ich mir "etwas sedirendes, stimmungsaufhellendes und angslösendes" zu verschreiben. Bekam Großpackungen Trimipramin (für abends) und Citalopram (tagsüber).
Mit Bac anfangen zu können freut mich nun sehr, allerdings fand ich so eine Rezepte-Druckmaschine auch etwas seltsam. Aber ich habe jetzt Bac und kann loslegen
.
Die Antidepressiva nahm ich wie verschrieben und dazwischen, so gegen 15 Uhr - meine krasse Cravingzeit - eine ganze Bac-Tablette 25 aufeinmal zerkaut. Das mache ich nicht nochmal! Nach ca. 15 Minuten fühlre ich mich wie bekifft. Kein schlechtes Gefühl zwar, aber eines das für den Alltag sehr, sehr massiv ist (das letzte Mal gekifft habe ich vor 20 Jahren). Craving war weg, sofort. Irre. Zuhause musste ich mich aber hinlegen und in den eigenen Körper hineinspüren.

Ergebnis: Antidepressiva werde ich nicht einschleichen. Das ist eine Versuchsreihe mit 4 Unbekannten, mit 3 verschiedene Pillen und mir in den Hauptrollen. Wichtig ist es mir herauszufinden, wieviel meiner Ängste und Schlafstörungen auf den Teufelskreis Alkohol zurück zu führen sind. Antidepressiva habe ich nämlich nur einmal und kurzweilig während der akuten Burnoutphase genommen. Ich möchte sehen, was, wo und wie sich etwas durch die Einnahme von Bac und Absage an Alk bei mir ändert. Falls Ängste dann immer noch bleiben, voila, Antidepressiva würden an Berechtigung gewinnen.

Mit der Bac-Dosierung werde mich mich also an der Empfehlung richten und langsam anfangen.
Zuletzt geändert von besstia am 7. Juli 2016, 20:19, insgesamt 2-mal geändert.
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besstia
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Re: besstia's Bac-Tagebuch

Beitragvon besstia » 7. Juli 2016, 20:12

Donnerstag, Tag 2: 6,25 um 7:00 Uhr/ 6,25 um 19 Uhr.
Alkohol: 0
Stimmung: sehr gut
Craving: sehr schwach, nur kurz zur Hauptzeit
Training: Nein

Die Antidepressiva von gestern hängen nach, könnte schlafen und schlafen. Habe sie gestern wie auch das Bac zum ersten mal genommen. Die Wirkung bestärkt mich in meinem gestrigen Entschluss, es erstmal nur mit Bac auszuprobieren und mich und dieses Medikament zu entdecken.

Ich möchte ein Tagebuch führen, einmal in diesem Forum, aber auch eines für mich allen, wovon sicher einiges auch in die Forumsbeträge einfließt. Das Tagebuch für mich allein ist nicht deswegen gedacht, weil nicht ehrlich in dem Forum sein will. Vielmehr um die Gedanken für mich allein erstmal zu ordnen und den Austausch hier etwas formschöner zu gestalten. Nun schreibe ich gern...aber keine Tagebücher. Ich denke gern lösungsorientiert, wofür aber erstmal die Anforderung definiert werden muss. Nachdenken ergab: Das leere Blatt eines Tagebuches verlangt von mir entweder ungebremsten Schreibwillen oder zunächst eine innere Ordnung meiner Gedanken. Beides verlangt von mir einen Energieeinsatz, welchen ich für ein Tagebuch dieser Art nicht bereit bin zu leisten. Also habe ich mich umgeschaut und eine Tagebuch-App gefunden, die mit Rastern arbeitet. Pro Raster ein Frage. Diese können zufällig sein oder man hat vorher feste Fragen aus der vorhandenen Bibliothek oder auch eigene bestimmt. So gefällt mir das.

Das Bac lässt mich etwas neben mir stehen, wie gesagt..irgendwie wie leicht bekifft. Ist nicht super unangenehm, muss aber auch nicht dauerhaft so bleiben. Ans Saufen denke ich eigentlich nicht, gegen 15 Uhr war wieder dieses Ziehen im Bauch, viel leichter als sonst. Mal sehen wie es morgen wird. Wenn aber stressige Situationen Nachmittags mit Craving zusammen fallen, denke ich dass ich vielleicht am Anfang doch noch ein Bierchen aufmachen könnte. Bisher habe ich alle 2 Tage getrunken, immer, den Tag dazwischen habe ich zur Erholung gebraucht. Und habe die Mengen überhaupt nicht kontrollieren können. Es endete in 90 % der Fälle mit Gedächtnislücken und 2 L. Wein oder 7 L. Bier. Manchmal fiel ich auch irgendwo hin, z. B. im Garten oder auch mal die Treppe runter. Woher genau die blauen Flecke oder Kratzer kommen, war mir aber oft ein Rätsel. Und am nächsten Morgen, hübsch geschminkt und elegant angezogen geht es zu Geschäftsterminen.

Bis morgen!
Besstia
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Re: besstia's Bac-Tagebuch

Beitragvon andi » 7. Juli 2016, 20:52

Hallo und willkommen im Forum besstia [hi_bye]

Du hast ja alles für einen Start, da kann man nur alles gute wünschen. Langsam! aufdosieren, bei Nebenwirkungen verbleiben bis diese zurückgehen, dann weiter aufdosieren - aber das weist du ja schon aus dem Forum; der Rest, ganz wichtig: dran bleiben, nicht aufgeben mit der Baclofentherapie. Oder wie unser Papfl immer wieder betont: Geduld, Geduld, Geduld - glaube mittlerweile selber, das da der Schlüssel zum Erfolg liegt.

lg
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Re: besstia's Bac-Tagebuch

Beitragvon besstia » 7. Juli 2016, 21:53

Moin Andi,

Danke für Dein Kommentar...trotz des Halbfinales heute [biggrin].

Ja, Geduld. Ist so gar nicht meine Tugend. Nur diesmal wird das wirklich nötig sein. Und vielleicht auch gut so. Da ich einen sehr robusten Organismus habe - die körperliche Zierlichkeit steht dem nicht entgegen - und auch schon viel Koks in meinem Leben konsumiert habe, habe ich es etwas verlernt, Nebenwirkungen und Ähnliches ernst bzw. wichtig zu nehmen. Wird also ein Lernprozess.

Bis bald
Besstia
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Re: besstia's Bac-Tagebuch

Beitragvon DonQuixote » 8. Juli 2016, 19:36

Hallo Besstia

Toll, dass Du mit einem eigenen Tagebuch begonnen hast und uns daran teilhaben lässt [good] .

Eigentlich ist es ja nicht zum Lachen, aber kichern musste ich trotzdem [mocking] :

Besstia hat geschrieben: … so gegen 15 Uhr - meine krasse Cravingzeit - eine ganze Bac-Tablette 25 aufeinmal zerkaut. Das mache ich nicht nochmal! Nach ca. 15 Minuten fühlte ich mich wie bekifft.

Ein klassischer Fall von „Überdosis“ (*). Nicht empfehlenswert, zumal sich da kein wirkliches Rauscherlebnis wie beim Kiffen einstellt, man ist einfach nur platt. Nicht lustig :L .

Aber gut finde ich:

Besstia hat geschrieben:Antidepressiva werde ich nicht einschleichen. Das ist eine Versuchsreihe mit 4 Unbekannten, mit 3 verschiedene Pillen und mir in den Hauptrollen.

Ja, erst mal eins nach dem anderen. Lasse Dich aber auch wegen des Tagebuches nicht unter Druck setzen, vor allem nicht durch Dich selbst. Niemand erwartet, dass Du hier quasi tagesaktuell Bericht erstattest.

Nun denn, alle Gute auf Deinem weiteren Therapie-Weg wünscht

DonQuixote

(*) Im weiteren Verlauf, wenn man generell auf einer höheren Dosis-Stufe ist, kann das aber im Rahmen einer "Notfall-Dosis" durchaus sinnvoll sein. Dazu muss man aber bereits gut an das Medikament gewöhnt sein. Zum Thema "Notfall-Dosis" schreibe ich dann vielleicht später mehr ...

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SteffiBernd
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Re: besstia's Bac-Tagebuch

Beitragvon SteffiBernd » 8. Juli 2016, 20:27

Hallo Besstia, da wir leider früher das gleiche Leid erfahren haben, wollte ich dich fragen, ob du schon eine Traumatherapie gemacht hast?

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Re: besstia's Bac-Tagebuch

Beitragvon besstia » 14. Juli 2016, 23:47

Freitag Tag 9: 6,25; 6,25; 6,25, 12,5
Alkohol: 0
Stimmung: gut
Craving: durchgehend immer wieder.
Traning:Nein

WOW! Das war eine besondere Woche. Durch Baclofen wurde mir bewußt wie sehr ich eigentlich von Alkohol abhängig bin. Das ist eine sehr besondere Erfahrung. Aber auch eine die mich mit der Nase ins mein schlimmstes Übel gestoßen hat. Ich bin dafür sehr dankbar, weiß aber, dass es nicht so einfach werden wird. Ich möchte mein Tagebuch hier teilen. Mein Projekt ist keine "Eintagsfliege"; auch wenn ich nicht täglich berichte. Danke an DQ.

Ich leite ein Unternehmen und bin für viele Dinge und Menschen verantwortlich. Ich habe beim Vorstand um ein Urlaub gebeten, Baclofen macht mich so sehr müde, dass ich schlafen/mein Alltag langsamer angehen muss. Diese Aszeit habe ich nicht bekommen. Ich habe daher gekündigt. Bitte sagt mir nicht, dass es falsch war ;-)-

BESSTIA
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Re: besstia's Bac-Tagebuch

Beitragvon andi » 15. Juli 2016, 21:08

Hi!

Das ist doch schon mal ein guter Anfang.
besstia hat geschrieben:WOW! Das war eine besondere Woche. Durch Baclofen wurde mir bewußt wie sehr ich eigentlich von Alkohol abhängig bin. Das ist eine sehr besondere Erfahrung. Aber auch eine die mich mit der Nase ins mein schlimmstes Übel gestoßen hat. Ich bin dafür sehr dankbar, weiß aber, dass es nicht so einfach werden wird. Ich möchte mein Tagebuch hier teilen. Mein Projekt ist keine "Eintagsfliege"; auch wenn ich nicht täglich berichte. Danke an DQ.
BESSTIA


Aber das:
besstia hat geschrieben:Diese Aszeit habe ich nicht bekommen. Ich habe daher gekündigt. Bitte sagt mir nicht, dass es falsch war ;-)-BESSTIA


hättest lieber nicht machen sollen. Währe unbezahlter Urlaub/Auszeit/gesundheitliche Wiederherstellung wie auch immer, keine Option gewesen?

Ja die "Müdigkeit" die Top-Nebenwirkung von Baclofen! Aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran und kann es im Alltag ganz gut aushalten. Muss natürlich dazu vermerken, das es am Anfang, wo noch die Dosis variiert, es doch etwas schwierig ist um damit klar zu kommen.

Und davon:
besstia hat geschrieben:Durch Baclofen wurde mir bewußt wie sehr ich eigentlich von Alkohol abhängig bin. Das ist eine sehr besondere Erfahrung.

wird sicher noch einiges mehr kommen, je größer der Abstand zum Alkohol.

lg
andi


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