Beitragvon Anna » 6. Mai 2017, 08:18
Hi,
ich habe mir mal Gedanken gemacht, wann es so richtig schlimm wurde mit dem Alkohol. Ich habe mit 30 mein Abi nachgemacht. Mein Mann hat mich dazu gedrängt, denn er fand, dass ich so intelligent sei, aber das Potenzial nicht nutzen würde. Okay, also 3 Jahre Kolleg angefangen. Nach 2 Jahren machten sich alle Gedanken, was sie mit dem Abi anfangen wollten. Ich hatte keine Meinung und keine Ahnung und fühlte mich nicht in der Lage da irgendetwas zu entscheiden. Auf meinen Mann konnte ich dieser Zeit nicht zählen, denn er hatte beruflich gerade eine harte Phase und war total eingespannt mit eigenen Entscheidungen. Er stand auch kurz vor einem Wechsel und das geht ja nicht so nebenbei, sondern will gut überlegt sein. Ich fühlte mich allein gelassen, unbeholfen und hilflos.
Da begann ich massiv zu trinken. Manchmal soff ich drei Tage durch, wenn mein Mann unterwegs war und wusste teilweise nicht, ob es morgens 8 oder abends 20 Uhr war. Sekt und Wein hatte ich genug da, denn ich arbeitete nebenbei bei einem Weingut, hatte was mit dem Chef angefangen und der brachte mir kistenweise alle Reste von Messen usw. ins Haus. So viel Alk hat nur ein Supermarkt. Ich wusste bald kein Versteck mehr für die Kisten, denn Keller und Kleiderschrank waren schon voll. Mein Mann hat nichts davon mit bekommen. Ich hatte alles perfekt getarnt.
In den mündlichen Abschlussprüfungen stand ich teilweise so vergiftet da, dass ich mein versteiftes Gehirn zu keinem Gedanken treiben konnte. Es war wie eingefroren und sicher nur froh, alle lebenserhaltenden Maßnahmen aufrecht zu erhalten.
Dennoch Abi mit 3 geschafft und keine Entscheidung, was nun. Ich ließ mich einfach treiben.
Der Chef stellte mich kurzerhand im Aussendienst ein, so hatte ich wenigstens was, aber nicht lange: Führerscheinverlust. Das wars dann.
Ich bekam dann eine Teilzeitstelle in einer Modeboutique und berappelte mich etwas vom Alk und auch von meiner Bulimie, welche ja auch noch ein schlimmes Thema war. Ich erbrach bis zu 20 Mal am Tag und war völlig am Ende.
Ein Wunder, dass ich überhaupt noch am Leben bin.
Dann kam der Umzug in unsere Stadt, wieder keinen Plan, kannte keinen, täglich trübes Wetter und ich wusste nicht, womit ich den Tag vertreiben sollte. Wieder kam der Zufall ins Spiel. Über einen Bekannten kam ich wieder im Verkauf unter. Ich war mitlerweile allerdigs so zerstört und ging auf dem Zahnfleisch, dass ich mich gezwungen fühlte wenigstens die Bulimie therapieren zu lassen. Drei Jahre Tiefenpsychologie, ich habe nicht Gedanken und Gefühle von Bedürfnissen unterscheiden können, habe gelernt Wünsche zu äußern und dann kam ich an die Arbeit mit dem inneren Kind. Schnell war klar, dass ich die Schuld an meine Eltern weitergab um selbst keine Verantwortung zu übernehmen. Das sollte sich ändern und da brach ich wieder zusammen.
Ich soff wieder bis ich am nächsten Tag nicht mehr denken konnte und sah aus, wie der Tod auf Latschen.
Es kamen 10 Wochen Langzeittherapie, aber ich war nicht wirklich dabei, ich wollte den Alk nicht aufgeben und soff danach weiter. Nicht mehr ganz so schlimm, aber dennoch viel zu schlimm. Das ist nun 10 Jahre her.
Jetzt sitze ich hier mit Euch und Baclofen, habe mir noch andere Hilfe gesucht und versuche trocken zu werden.
Ich kann es manchmal gar nicht fassen, dass ich das wirklich will. Das ich das alles wirklich tu.
Alles Liebe,
Anna